Sonntag, 13. Februar 2011

Beziehungsarbeit im Andenparadies


Die Busfahrt von Esquel nach 
Villa de Angostura führt durch 
wunderschöne Landschaft… 
Gipfel. Holzhäuser. Mountainbiker. Blauer Himmel, klare Bäche und herrliche Seen wohin du blicken kannst - nein, uns hat es nicht frühzeitig wieder zurück ins bayrische Voralpenland getrieben, nach Garmisch oder  an den Kochelsee. Vielmehr sind wir in Villa de Angostura gelandet, einem kleinen Ferienort in den Anden, im sogenannten Seengebiet von Patagonien. Doreen und ich, wir sind hier schonmal mit dem Bus durchgekommen, vor einiger Zeit, auf dem Weg von Puerto Varas nach Puerto Madryn. Wenn du hier durchfährst und die Idylle an dir vorbeifliegt, dann machst du ganz große Augen, und ein melancholisches "Oh, wie ist das schön hier!". So auch bei mir, als wir seinerzeit hier durchgegondelt wurden. Ich hatte nicht zu träumen gewagt, dass es uns nochmal in dieses südamerikanische Bergparadies verschlagen würde. Schließlich, warum dieselbe - oder zumindest eine ähnliche - Route ein zweites Mal fahren? Aber was soll´s. Wir sind auf Reisen, da darf man auch mal Schleifen drehen. 
Großes Bohai, als während der 
Busfahrt  eine Kolonne aus Lambos
 und Porsches am Bus vorbeiröhrt.
 Leider viel zu schnell für meine Kamera. 

Also haben wir uns in Esquel dazu entschlossen, dass wir nach etlichen weniger attraktiven Städten mal wieder was Hübsches sehen wollen. Dass wir einen Ort besuchen, wo wir einfach nur abhängen können. Keine großen Vorhaben, nicht ständig von A nach B hetzen - sondern bitte ein einladendes Hostel in einer einlullenden Umgebung. Hat geklappt. Unser Hostel namens Don Pilon liegt drei Gehminuten vom  Ortszentrum entfernt, wo sich kleine Gasthäuser, Trekking-Shops und Klamotten-Stores dicht an dicht drängen. Hier gibt es auch endlich, was ich so vermisst habe, und was in Südamerika selten zu sein scheint: Cafés mit (einladender) Außenbestuhlung, und Grünanlagen mit (schattigen) Parkbänken. Unser Zimmer? Halbwegs sauber, gepflegter Holzboden, schön groß. Aus dem Bett sehen wir durch ein großes Fenster einen Stapel Feuerholz; dahinter das dichte Grün etlicher Buchen und Birken; in Richtung Horizont zeichnen ein paar Berge sanfte Schwünge aus Braun und Ocker in den hellblauen Himmel.  

Ankunft am zentralen Plaza San Martin.
Hier gibts am ersten Abend ein gratis
Deathmetal-Konzert... Moritz, Nick, Ann,
das wär´ was für Euch gewesen! 
Jedenfalls sonst immer, nur heute nicht, denn heute regnet es Schnürl. Eine willkommene Abwechslung nach all dem gleißenden Sonnenschein der letzten Tage. Viel gemacht haben wir trotzdem nicht. Doreen hat sich drei Tage gewünscht, in denen sie gar nichts tun darf; drei Tage in denen ich sie nicht zu irgendwelchen Aktivitäten anstachele. Doreen und ich, wir haben viel geredet in letzter Zeit. Und haben dabei festgestellt, dass wir uns beide nicht wirklich erholt fühlen; sondern dass wir mehr unter Druck stehen, als dass bei einer Weltreise der Fall sein sollte. Die Gründe sind sicherlich vielfältig. Bestimmt hängt einiges damit zusammen, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nie eine derart innige Beziehung geführt habe, wo ich mit einem Menschen für Tage und Wochen praktisch die ganze Zeit verbringe. 

Villa de Angostura besteht fast 
nur aus Grünzeug, Holz- und Steinhäusern. 
Das hat dazu geführt, dass ich oft nicht die Dinge getan habe, die ich gern getan hätte. Ich bin manchmal aus falsch verstandener Rücksicht früh ins Bett gegangen; habe viel Zeit mit Warten verbracht, statt einfach zu tun, wonach mir ist. Mach sowas zu lange und zu oft, dann setzt ein leichtes Unbehagen ein. Zum Beispiel habe ich mein Macbook ja eigentlich mitgenommen, um während der Reise mein iPhone-Game "Twinki Run Run" fertig zu entwickeln. Tatsächlich ist in den Wochen seit unserer Abreise gar nichts passiert. Ich habe ab und zu mal die Entwicklungs-Software gestartet und geguckt, ob der bisher entstandene Code noch funktioniert  - für mehr habe ich nicht die Zeit und nicht die Muse gefunden. Doreen geht´s ja ähnlich. Sie will mehr zur Ruhe kommen als ich; will dösen; lesen; Armbänder knüpfen; aber nichts davon ist in einer Art und Weise gelungen, dass sie rundum glücklich wäre.   

Blick aus unserem Zimmer, 
vom Bett aus...
Deswegen haben wir geredet. Und beschlossen, dass wir verschiedenes ändern. Wir entschleunigen vor allem den Reiserhythmus. Wir fahren nicht mehr alle fünf bis sieben Tage die nächste Etappe an, sondern bleiben auch mal länger. In Villa de Angostura zum Beispiel werden wir elf Tage verbracht haben, wenn wir kommenden Donnerstag abreisen. Dieses Plus an Zeit wollen wir für mehr Selbstverwirklichung nutzen. Soll heißen: Ich rede Doreen nicht mehr ständig ein, dass wir möglichst alle Ziele in der Umgebung besuchen, bewandern, befahren und erkunden müssen. Sondern ich verzichte auf Action, um selbst endlich zur Ruhe zu kommen. Oder wenn Action, dann gebe ich sie mir manchmal eben alleine. Denn wir haben seit Ende Dezember ja wirklich jede Minute zusammen verbracht. Und das mir, als eingeschworenem Einzelgänger! Der ich bis vor kurzem noch Panik bekommen habe, wenn ich in meiner Bude in München einen Gast länger als zwei Tage aufnehmen sollte. 
Doreen bei der Beziehungsarbeit ;-)

Jetzt sind Doreen und ich schon bald zwei Monate zusammen unterwegs, und das bisher ohne einen einzigen größeren Streit. Das ist wohl größtenteils Doreens Verdienst. Sie besitzt eine unglaubliche Gabe, die eigenen Gefühle und die meinen zu erkennen, zu deuten und in Zusammenhang zu bringen. Sie ist die unermüdliche "Beziehungsarbeiterin" von uns beiden. Und dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar. Ebenso wie  für die Tatsache, dass mich das Seemonster vom Lago Nahuel Huapi nicht gefressen hat. Aber das ist ein anderes Thema. Eines für den nächsten Blog…

Hasta luego,
Richard 

3 Kommentare:

  1. Ein sehr schöner Blogeintrag, Richy!
    Toll geschrieben, besonders die letzten Abschnitte...
    Für mich passend zum morgigen Valentinstag eine wunderschöne Liebeserklärung an Doreen!
    *schmacht*

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  2. ..wird immer besser, wir sind begeistert, besonders über die Gedanken zur "Beziehungsarbeit" und das passt wahrhaftig zum heutigen Valentinstag
    Mony und Kurt freuen sich über den Beitrag und vielleicht können wir ja auch noch was lernen dabei ...

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  3. Das ist ja toll. Wenn jemand noch was von uns lernen kann wäre das klasse! Danke Euch für die schönen Kommentare.

    LG
    Doreen und auch von Richy!

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