Sonntag, 21. August 2011

Verloren in der Dunkelheit

Rund um Ko Lanta bildet der Kalkstein
zahlreiche Inseln mit sehr exotischem Profil.  

Bin froh, dass ich heute diese Zeilen schreiben kann. Hätte auch anders ausgehen können, unser Besuch in der "Emerald Cave" - einer größtenteils unter Wasser stehenden Grotte auf Ko Mook, der Insel Mook, mitten in der Andaman-See. Die Klippen des Eilands ragen steil aus den Wogen, das Profil ist geprägt durch zerklüftete Kanten aus dunklem Kalkstein. Mitten im schroffen Fels ist auf Meereshöhe ein schwarzes Loch zu erkennen: die Höhle, die Emerald Cave. Wenn du dich hinein wagst,  umfängt dich auch bei mittäglichem Sonnenschein sehr bald völlige Dunkelheit. Die Grotte steht halb unter Wasser, so dass du dich nur schwimmend durch die Finsternis bewegen kannst. Du siehst nichts, rein gar nichts, nicht einmal die buchstäblichen Hände vor deinen Augen. Erst recht nicht die Höhlendecke, oder den Wasserspiegel. Du hörst dafür umso mehr. Dumpfes Stampfen und ein lautes "Wuuuusch" immer, wenn die Andaman-See von draußen ein paar Kubikmeter zuviel Wasser in die Höhle drückt. Ein Teil Nass verdampft dann in einer Nebenkammer unter lautem Getöse. 

Aufbruch zur Höhle. Da war die
Stimmung noch gut... 
In diese schwarze Höhle sind Doreen und ich also geschwommen, als Teil einer geführten Tour. Vorneweg der Bootsjunge der kleinen Nussschale, die uns hierher gebracht hat. Der Junge hat als einziger eine Taschenlampe dabei. Er schwimmt vornweg, soll den Weg ausleuchten. Aber plötzlich sind alle weg. Niemand mehr zu sehen. Kein anderer Teilnehmer aus unserer Gruppe, ebenso wenig der Bootsjunge. Doreen und ich, wir sind allein in der Finsternis, sehen nur noch Schwarz um ums herum. Der Bootsjunge war mir schon vorher als Trantüte aufgefallen. Mir ist klar, dass so bald niemand zurück kehren würde, wenn überhaupt. Die ganze Tour, von vorne bis hinten mies organisiert. Uns hier ohne Taschenlampen reinschicken, oder zumindest ohne sichernden Mann hinter der Gruppe - unfassbar. Egal jetzt. Doreen und ich, wir müssen den Weg aus der Höhle selbst finden. Mit einem Arm schwimme ich, mit dem anderen taste ich mich durch das Schwarz, versuche die Struktur der Höhle zu erfassen. Die Höhle soll insgesamt rund 95 Meter lang sein. Also kann der stockdunkle Teil der Höhle nicht allzu umfassend sein. Davor und dahinter müssten Lichtschimmer den Weg zu den Eingängen weisen, 

Unser Boot namens "Kantiang 2",
vor Ko Ngai liegend.

Jetzt nur die Ruhe bewahren. Ich bitte Doreen, dass sie an Ort und Stelle bleibt, damit ich mir ihre Position merken kann und wir einander nicht auch noch verlieren. Ganz sachte schwimmen, Zentimeter für Zentimeter, mit den Fingern den Stein ertasten, in der Hoffnung, dass sich eine der vielen Ausbuchtungen im Gestein zum einem schwimmbaren Durchgang verbreitert. Wie scharfkantig die Strukturen aus Kalkstein, Scharten und Muschelschalen wirklich sind, das sollte ich erst am nächsten Tag anhand der vielen Schnitte in fast allen Fingern erkennen. Aber die Methode funktioniert. Nach einiger Zeit glaube ich eine Veränderung in der Dunkelheit erkennen zu können; Licht von draußen? Ich schwimme einen Meter weiter. Die Helligkeit nimmt zu. Und tatsächlich kommt der Ausgang in Sicht. Ich rufe meine tapfere Doreen, die während der ganzen Zeit unfassbar ruhig geblieben ist - in einer Situation, wo so mancher sicher in Panik geraten wäre. Wir sind draußen und rudern hinaus zum Boot, das uns in diese Situation gebracht hat.  Begonnen hat alles ein paar Tage vorher. 

Unsere Hütte auf
Ko Lanta. Nicht zu
sehen: die Mega-
Baustelle für zehn
weitere Hütten. 
Foto vom Freitagmarkt.
Thai sind religiös. Die meisten ehren
Buddha, auf Ko Lanta leben aber
mehr Moslems. Die Insel gilt als
Musterbeispiel für das Zusammenleben
verschiedengläubiger Menschen.
Wir sind vor einiger Zeit umgezogen. Sind Von Khao Lak aus mit dem Minibus weiter nach Süden gefahren, in Richtung der Stadt Krabi, von dort weiter auf die Insel Ko Lanta. Sie wurde uns als wunderschön und sehr ruhig angepriesen, empfängt uns aber zunächst mit Aufregungen. Der Fahrer unseres Minibus bringt uns brav vom Festland auf die Insel, weigert sich danach aber, Doreen und mich und die anderen Passagiere zu ihren Hotels zu bringen. Er spricht kein englisch, kann nur Thai lesen und die Namen der Unterkünfte auf den Buchungs-Bestätigungen nicht entziffern. Das schließe ich jedenfalls aus seiner Gestik und Mimik. Dass wir doch bitte Taxis bemühen möchten, für diesen Satz reichen seine Sprachkenntnisse immerhin aus. Gerade als der Streit mit einem jähzornigen Franzosen zu eskalieren droht, kommt von der Straße ein Hiesiger herbei geeilt. Er stellt sich als Übersetzer und Lotse zur Verfügung; aber nicht ohne uns diverse Hotels auf´s Auge drücken zu wollen, auf deren Provisionsliste er wohl steht. Ich hasse solche Drücker-Maschen. Trotzdem ruhig und sachlich bleiben, so habe ich es aus dem Lonely-Planet-Reiseführer und Gesprächen mit Asiaten bereits gelernt. Funktioniert. Tatsächlich erreichen wir unsere Bleibe: das "Long Beach Chalet", eine Ansammlung von preiswerten Bungalows in Nähe des Strandes. Blöderweise ist die Baustelle zur Erweiterung des Anwesens noch viel näher. Deshalb weiß ich jetzt auch, dass Thais fleißige Menschen sind. Sie nehmen ihre Bagger, Hämmer und Trennschleifer um acht Uhr morgens in Betrieb, und geben sie erst gegen 21 Uhr abends wieder aus der Hand. Was nebenbei erklärt, warum wir unsere Bleibe für nur 20 Euro inklusive Frühstück bekommen haben.

Der olle Honda-Roller aus dem Fließtext
wurde für  das Bild durch ein
modernes Exemplar ersetzt. Er wollte
mit all dem Rost nicht fotografiert werden.
Der Süden von Ko Lanta. Wunderschön. 
Doreen und ich, wir versuchen dem Lärm zu entfliehen, wann immer wir können. Am zweiten Tag auf Ko Lanta leihen wir uns für vier Euro / Tag einen uralten Honda-Motorroller mit leerer Batterie und hakliger Schaltung, aber enorm viel Charme. Zu zweit eiern wir die Landstraße Richtung Süden, da wo im Nationalpark völlig einsame Strände zu finden sein sollen. Wir trinken auf dem Weg einen leckeren Kaffee, betrachten das Leben in den kleinen Dörfern; und haben eine unheimlich Begegnung mit einer Waran-Echse. Erzeugt schon einen kleinen Blutstau, wenn sich direkt vor dir so eine Ein-Meter-Fuffzich-Reptil über die Straße schiebt. Den Strand haben wir dennoch gefunden. Leider etwas dreckig, und ohne schattenspendenden Bewuchs zum Entspannen nur bedingt geeignet. Dafür aber herrlicher Sand. Und Mitte August, in der Nebensaison völlig einsam. Kein Mensch weit und breit. Splitternackt in die Brandung springen und sich von Drei-Meter-Wellen von den Füßen reißen lassen, das ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Meine Wenigkeit im Kampf mit
den Urgewalten des
Meeres. Poseidon siegt, natürlich. 
Dass wir am Tag danach in der "Emerald Cave" verloren gehen würde, davon ist frühmorgens noch nichts zu ahnen. Eigentlich spüre ich beim Morgenkaffee nur die Vorfreude auf unseren kleinen Ausflug: Die "4 Islands"-Tour soll uns per Longtail-Boot mit vier vorgelagerten Inseln zusammen bringen. Ein bisschen schippern, schwimmen, schnorcheln - was kann da schief gehen? Die "Emerald Cave" soll die Hauptattraktion des Ausflugs bilden. Vom Meer her kommend würden wir ungefähr 100 Meter durch eine unter Wasser stehende Höhle schwimmen, am anderen Ende ein grell schimmerndes Tor aus Tageslicht entdecken - und dahinter einen kleinen Sandstrand mit einer ebenso einmaligen wie einsamen Lagune. Sie soll Piraten früher als Lagerstätte für ihre Schätze gedient haben. Die Lagune ist völlig von der Umwelt abgeschottet. Sie liegt in einem Talkessel und ist rundherum durch über 50 Meter hohe Klippen aus Kalkstein eingezäunt. Man kommt nur durch die Höhle rein. Und auch das nur bei Ebbe. Klar, dass sowas den Abenteurer in mir weckt. 

Schnorcheln vor Ko Chuek. Noch sind
die Korallen recht intakt. Ich geb´
ihnen zwei bis drei Jahre...
Kann ja bei der Buchung nicht ahnen, dass die Sache gefährlich werden würde, weil uns der Veranstalter "Kantiang Tour" der Obhut burmesischer Nepper überlassen würde. Hatte schon bei der Abholung ein schlechtes Gefühl. Wenn du zusammen mit anderen Tour-Teilnehmern auf die offene Ladefläche eines Isuzu-Pickup gepfercht wirst, ohne ein Wort der Erklärung oder wie lange die Fahrt dauert, dann ahne ich Übles. Doreen liest mir meine Vorahnung am Gesicht ab, sagt, ich solle nicht so grimmig gucken. Wir hüpfen über Stock und Stein; und erreichen nach rund 30 Minuten ein Pier; niemand sagt was; na gut, steigen wir halt mal ab. Irgendwann werden wir zusammen mit knapp 20 anderen Menschen auf das Longtail-Boot "Kantiang 2"  gescheucht. Eine Nussschale, die sonst wohl eher fünf bis acht Leute tragen soll. Dass sich beim ablegen ein Tau in der Schiffschraube verfängt und danach der Motor erstmal nicht wieder starten mag, verfestigt meinen Eindruck: in was für eine Bauernfängerei bin ich geraten? 

Zwischenlandung auf Ko Ngai.
 Links Thailands
ganze Schönheit; der Strand ist
aber auch sehr hübsch. 
Im selben Stil geht es weiter. Der Tourguide aus dem Veranstalter-Prospekt bleibt ein Phantom, es gibt ihn nicht. Der Kapitän und sein Bootsjunge? Sprechen weder englisch noch deutsch; und verraten mit keinem Wort, an welchen Insel wir gerade vorbeigleiten. Dass die beiden sprachbegabt sind, merke ich vor allem dann, wenn sie uns bei Schnorchelstops zum schnellen Aufbruch mahnen. Dass Doreen die schimmligen Mundstücke der Schnorchel gar nicht erst anlegen mag, kann ich gut verstehen - ich betrachte die farbenprächtigen Fische in den Korallenriffen vor Ko Chuek und Ko Mah auch lieber durch meine eigene Schwimmbrille. Dass es den Schiffsverantwortlichen aber sogar egal ist, dass sie zwei Menschen in einer Unterwasser-Höhle auf einer unbewohnten Insel zurücklassen? Die anderen Passagiere erzählen später, dass der Kapitän bereits den Anker hat lichten lassen, ohne uns an Bord. Wir erfahren, dass der Bootsführer zwar die Zahl der Ruder an Bord überprüft habe; aber die Zahl der Passagiere hat ihn offenbar weniger interessiert. Erst nach Eingreifen Mitfahrender hat der Mann die Fahrt gestoppt und seinen Schiffsjungen angewiesen, uns entgegen zu schwimmen. Doreen und ich, wir wären sonst gestrandet auf einem Stück Fels mitten in der Andaman-See. 

Sonnenuntergang vor´m Strand vor
unserer Hütte. Nur mal so, weil ich
solche Bilder halt mag.
Die ganze Situation habe ich zwar als bedrohlich, aber nie wirklich als gefährlich wahrgenommen. Doreen und ich, wir haben Ruhe bewahrt, das war entscheidend. Schlimmstenfalls hätten wir in der Lagune übernachtet. Mir gibt im Nachhinein zu denken, wie plötzlich diese so kontrolliert erscheinende Situation außer Kontrolle geraten konnte. Zugleich bin ich glücklich, wie gut wir die Herausforderung gemeistert haben. Vielleicht eine wichtige Lektion für einen planerisch veranlagten Menschen wie mich, der allzu gerne für alle Eventualitäten gerüstet sein möchte - es letztlich aber nie sein kann. 

Ganz kleines bisschen nachdenklich, 
Richard 











3 Kommentare:

  1. Ganz schönes Überlebenstraining bei euch beiden, der Wahnsinn. Erinniert irgendwie an Open Water, zumindest die Sache mit dem Durchzählen.

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  2. Mensch da hattet ihr ja mal wieder Glück. Nur gut das ihr einen kühlen Kopf behalten habt. Andere wären wahrscheinlich durch gedreht.

    Trotzdem war es bestimmt wieder ein erlebnis das ihr bestimmt nicht mehr vergesst.

    Liebe Grüße Jutta

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  3. da bin ich schon ein wenig irritiert, daß sowas überhaupt möglich ist. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können, wenn ihr nicht so umsichtig gehandelt hättet. Bin (wir sind ) froh, dass wir erst jetzt nach unserer Rückkehr vom Urlaub von eurem gefährlichen Abenteuer erfuhren, sonst hätten wir uns ständig Sorgen um euch gemacht.
    ...gut gegangen und hoffentlich passiert derartiges nicht nochmal

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