Dienstag, 28. Juni 2011

Meine American Fifties




Seitdem ich ein 14-jähriges Mädchen war, habe ich mich bei Nachmittags-Elvis-Filmen immer wieder hinein geträumt in die große Zeit des Rock´n Roll - in die amerikanischen 50er Jahre. Ich habe mir damals gewünscht einen Abend lang in das Leben eines amerikanischen Teenies hineinzuschlüpfen. Mein Freund, natürlich mit klebriger Wachs-Tolle und cooler Lederjacke, sollte mich und mein rotes Petticoat-Kleid mit weißen Tupfen von zu Hause abholen. Dort auf Drängen meines strengen Vaters versprechen mich um 24 Uhr wieder heim zu bringen und anschließend mit mir in seinem rosa Cadillac ins Autokino zu fahren und den neuesten Jamens Dean oder Marilyn Monroe-Film anzusehen.

In den USA ist mein Traum in den letzten Wochen einige Male in Erfüllung gegangen. Ich bin hier öfter mit den 50er-Jahren in Berührung gekommen, als Elvis "Love me tender" auf der Bühne gesungen hat.


Viele, oft zufällige, Begegnungen haben mir geholfen, dass die 50er Jahre für mich an Gestalt angenommen haben. Wie zum Beispiel die Entdeckung von einem American Diner, so wie ich es mir immer vorgestellt habe. Vor Jahren habe ich mich Im Film "Forever Young" in das klassische American-Diner der 50er-Jahre verliebt. Drei Tage vor unserer Entdeckung habe ich Richy lustigerweise davon erzählt und dass für dieses Diner ein Eisenbahnwaggon umgebaut wurde. Und tatäschlich. Wir denken uns nichts bei einer der vielen Fahrten auf der "Route 1" durch die putzige Kleinstadt Oceano, Kalifornien. Plötzlich fahren wir an diesem Eisenbahnwaggon mit Aufschrift "Rock & Roll Diner" vorbei. Hier und gerade jetzt? Ich konnte es nicht fassen und war ganz aufgeregt. Obwohl wir schon gefrühstückt hatten, haben wir umgedreht und mussten uns ganz klassisch Pancakes und Milchshakes bestellen…im ersten American-Diner meines Lebens. 




Endlich James Dean getroffen :o) 








Ein paar Meilen weiter südlich konnte ich mich durch eine alte "Drive-In-Theater"-Leinwand in "meine" Autokino-Zeit hineinfühlen. Ich glaube die Menschen um mich herum haben sich alle gefragt, warum ich diese rostige, völlig heruntergekommene Leinwand fotografiere. Aber ich bin völlig hin und weg und träume wie ich in dem rosa Caddy in der Autoschlange vor dem Kartenverkauf stehe, während meine Freundinnen mich entdecken und auf mich zustürmen, um mein neues rotes Kleid, natürlich mit weißen Tupfen, zu bewundern. Auch das macht die Autokino-Kultur aus. Zu gerne hätte ich die Leinwand entrostet und wieder zum Leben erweckt. Da das nicht möglich ist, tröste ich mich mit der Hoffnung noch ein intaktes Autokino zu finden. Muss doch möglich sein, 400 solls in den gesamten Vereinigten Staaten noch geben. Nur noch 400 von über 4000 Stück in den 50er Jahren. 



In Las Vegas, vor gut einer Woche, hat sich ein weiteres Puzzlestück dazu gesellt. Ich konnte im "Betty Page"-Shop zwei richtige 50er-Kleider anprobieren. Ein Laden, der ausschließlich dieser Dekade nachempfundene Kleider verkauft. Leider keines mit Tupfen, aber immerhin mit Petticoat. Wie findet ihr sie?









Das ultimative "50er-Erlebnis" hatte ich jedoch erst gestern. Richy und ich, wir sind auf den Spuren von James Dean & Co. gewandelt, indem wir ein Stück der historischen, "Route 66" gefahren sind. Das war so wunderbar. Wir fuhren in Arizona durch eine wieder völlig neue unglaubliche Berg-Wüsten-Landschaft, bei der Du nicht ahnst, dass da jemand lebt. Doch plötzlich führt die Straße in ein kleines Dorf, dass von etlichen Motels gesäumt wird. Motels, die durch ihre originalen Werbeschilder genauso anmuten wie ich es aus all den alten Filmen kenne. Wir kamen noch an ein zwei original 50´s-Dinern vorbei und hielten für unbedingt besuchenswerte Souvenir-Shops an. Stundenlang hätte ich dort historische oder auch weniger historische Blechschilder, Betty-Boop-Magnete und kultige Coca Cola-Artikel für zu Hause erstöbern können. Ach wie schade, dass mein Reiserucksack nicht so viel aufnimmt wie Hermines Handtasche in "Harry Potter". 

So ein Foto kann man nur hier machen...
...auf der "Route 66"...
...wo alte Corvettes einfach so rumstehen...
...genauso wie uralte Zapfsäulen,
...rosane Edsel...
...und es die geilsten Blechschilder
der Welt zu kaufen gibt.
Alle vereint, Elvis, James Dean
und meine Betty Boop.



Während der Fahrt auf der
legendären "Route 66"
Eure Doreen, die ihr letztes Stückchen 50´s zu Hause sucht…was Richy wohl zu einem Rock´n-Roll-Kurs sagt? 


Ein Laden namens "Art of Music", in dem sie
lauter Originalunterschriften von
Stars wie Albert Einstein, Jamens Dean,
Elvis und, für die ganz Harten
Metallica und Van Halen, verkaufen.
Gefunden in den "Miracle Mile Shops"
im Planet Hollywood in Las Vegas. 

Für Cola-Fans wie mich ein Traum.
Der "Coca Cola-Shop" direkt am "Strip"
in Las Vegas.



Mittwoch, 22. Juni 2011

In Vegas steht ein Hofbräuhaus (mit drei Videos!)



Nach bald sechs Monaten Weltreise passiert es mir nur noch selten, dass ich den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekomme. Las Vegas, Nevadas schillernde Glückspiel-Metropole, hat´s aber doch geschafft. Die Stadt hat Doreen und mir einen unvergesslichen Empfang bereitet, mit einem brodelnden Vollbad aus Lichtern, Lärm und Eindrücken. Dabei wollten wir neulich, nach unserer Ankunft am späten Nachmittag und Bezug unseres Zimmers, nur noch kurz was einkaufen fahren. Wollten mal eben den oft besungenen Las Vegas Boulevard - den "Strip" - runtercruisen, und am anderen Ende der Stadt beim alternativen Supermarkt "Whole Food" richtig leckeres Obst und knackiges Brot besorgen - man gönnt sich ja sonst nichts.

Las Vegas am Tag. Du schwitzt
schon, wenn du nur aus
dem Fenster guckst.
Das Wynn, eines der
schönsten Hotels am Strip.
Leider unbezahlbar.
An einem Juni-Tag wie diesem wirkt die von Sonne und Hitze durchdrungene Stadt wie gesandstrahlt. 100 Grad Fahrenheit und mehr erreicht das Thermometer, an die 40 Grad Celsius. Du bewegst dich am besten nur im Schatten. Oder gar nicht. Der Abend ist bereits angebrochen, die Sonne beginnt ihre Wanderung hinter den Horizont. Die Hitze lässt dennoch nur unmerklich nach. Aber offenbar markiert die Dämmerung jenen Moment, an dem in Las Vegas irgendein geheimnisvolles Überwesen den Lichtschalter betätigt. Die Stadt verwandelt sich in ein gewaltiges Spektralwesen, bunter als ein Samba-tanzender Regenbogen. Ich war noch nie in Vegas, kenne die Stadt nur aus Filmen und Beschreibungen. Tatsächlich ist die Wirkung des Lichts noch sehr viel intensiver, als ich sie mir je vorstellen hätte können. 


Kaum dass wir unseren Kia Rio um die Ecke bewegen, empfängt uns der Strip. Mit Bauten, die sich steil dem Himmel entgegenstrecken. Mit Videoinstallationen, die grelles Licht auf die Straße werfen. Hotels wie Monumente werden von gewaltigen Scheinwerfer-Batterien abwechselnd in rote, grüne, blaue, violette Farbmeere getaucht. Gewaltig. Wahnsinnig. Bei mir ganz großes Staunen; fahre praktisch im Dauerdelirium mit offenem Mund über den Strip. Vorbei am Hotelcasino "Excalibur", einem Schloss wie Neuschwanstein auf LSD, von einem irren Architekten um das Zehnfache aufgeblasen. Kurz darauf rechts das "Luxor", ein so genanntes Megaresort, sprich ein Komplex aus mehreren Gebäuden mit Hotels, Casinos, Restaurants, Shops. Ein Teil des Luxor sieht aus wie die ägyptische Sphinx-Skulptur. Millionenwatt-Strahler tunken die "Sphinx" in grelles Gelb; ein extremer Kontrast zur tiefschwarz schimmernden Nachbildung einer Cheops-Pyramide gleich dahinter. Das Konstrukt flößt mit seinen mächtigen Dimensionen Respekt ein; weckt durch die düstere Struktur Neugier auf das, was sich dahinter verbergen mag; und lenkt durch nach oben laufende Farbimpulse den Blick hoch:  Ein meterdicker Lichtstrahl verlässt die Pyramide an ihrem höchsten Punkt und schneidet sich von dort messerscharf nach oben in den glitzernden Sternenhimmel. Sehenswert. 

Ab 22 Uhr füllen sich
die Casinos.
Hatte kein Maßband dabei, hab´s nicht nachgeguckt - würde aber grob schätzen, dass beide Luxor-Bauwerke nur unwesentlich kleiner sind als die Original-Grabmale in Ägypten. Im Reiseführer steht, dass von den 25 größten Hotels weltweit, 19 hier in Las Vegas stehen. Glaub ich sofort. Verdammt noch eins, ein paar Kreuzungen weiter haben sie den Eiffelturm nachgebaut, immerhin halb so groß wie das Original. Und wieder ein paar Meilen woanders sehe ich aus dem Augenwinkel die "Fremont Street" -  eine mehrere hundert Meter lange Fußgängerzone, die über die gesamte Länge von einem gebogenen Dach überspannt wird. Die Decke ist komplett mit einer Videoinstallation versehen, auf der animierte Clips und Spots laufen. Was für ein Lichtermeer! Überhaupt hauen mich diese gewaltigen Videowände total weg. Sie zeigen Szenen aus Shows und Konzerten, aus Lokalen und Casinos. Sie tun das in einer Qualität, die auf mich so futuristisch wirkt wie eine Portion Nutella, die sich von selbst auf´s Brot verteilt. Das ist Welten entfernt von Neonreklame mit Daumenkino-Animation. Hier strahlen mich Clips auf gewaltigen Flächen in so hoher Qualität an, so bunt und brillant und scharf, so laut und flüssig laufend; das wirkt wie Science Fiction, so als ob "Blade Runner" wahr geworden wäre. 

Ist jetzt grad mal ein paar Tage her, dass ich in Los Angeles über die Videospiel-Messe E3 geschlendert bin, einfach nur um der guten alten Zeiten wegen. Die E3 - klick für Video - ist auch ein ziemlich großes Spektakel. Hab bisher immer gedacht, was Electronic Arts und andere Games-Hersteller da an Videotechnik auffahren, das wäre State of the Art. Aber vergiss es. Hier in Vegas ist alles um etliches krasser. Und trotzdem, wenn du ein bisschen abseits vom Strip bleibst, kannst du ganz andere Facetten an Vegas entdecken. Zurückhaltend beleuchtete Straßenzüge zum Beispiel, wo ein Pfandleihhaus neben dem anderen sitzt. Dort suchen vermutlich jene Menschen ihr Glück, die es am Casinotisch nicht gefunden haben. Oder die es weniger clever anstellen als Peter, ein Gambler. Graue Haare, etwas dicklich, um die 50. Während wir beide an der Hotelrezeption warten, erzählt er mir Im breiten Texas-Slang, dass er sein Geld bei Ankunft im Tresor des Hotels einschließen hat lassen. Jeden Tag morgens holt er 100 Dollar ab. Sein Spielgeld, sein Tagesbudget. Er hat aus seinem Fehler gelernt, den er in jungen Jahren in Reno gemacht hat, dem anderen großen Glücksspiel-Anziehungspunkt in den USA. Hatte 500 Dollar dabei, und 485 davon gleich am ersten Abend verjubelt. Musste eine Woche mit 15 Dollar auskommen. "Kein Spaß, sowas", sagt Peter. 

Mitten in der "Fashion Show"-Mall:
Eine Galerie zeigt sündteure
Kunstwerke, auch einen
 Dali für 290.000 Dollar
Dass wir Glücksritter in Vegas treffen würden, war zu erwarten. Aber urbayrische Gmiadlichkeit, und das nur ein paar Minuten von unserem Hotel und vom Strip entfernt? Ich wusste ja schon aus der Spiegel-TV-Dokumentation "In Vegas steht ein Hofbräuhaus", dass einer der Wirte des Münchner Originals hier vor acht Jahren eine "Zweigstelle" errichtet hat. Eine erstaunlich gute Kopie, gerade was die Stimmung betrifft. Doreen und ich, wir hatten einen lustigen Abend mit viel Bier und Schunkelei, gutem Essen und prima Unterhaltung. Bei uns am Tisch saß ein Pärchen aus Rapid City im US-Bundesstaat North Dakota. Todd und Cindy haben ihre fünf Kinder für eine Woche bei den Großeltern deponiert, und gönnen sich eine Woche Auszeit. Brez´n, Obatzter und Kässpatzn stehen am Tisch, Maßen und Weißbier fließen reichlich.

Alle 15 Minuten gibt´s eine
Wassershow vor dem Hotelcasino
 "Bellagio". Video? Klick!  
Wir plaudern über Gott und die Welt. Todd erklärt, warum Amis so schnell essen - und Cindy, wie das Kindergarten- und Vorschul-System in den USA funktioniert. Wir erleben unerwartet bewegende Momente, als Todd von seinem Jahr als US-Soldat in Afghanistan berichtet, und seine Augen feucht zu schimmern beginnen. Auf ein bisschen Melancholie und Traurigkeit folgt Stolz, als die Band die US-Nationalhymne skandiert. Fast alle Gäste stehen auf und singen mit. Todd hält die Kopf aufrecht und legt seine Hand auf sein Herz. Doreen erzählt mir später, wie schön sie es findet, dass sie das miterleben durfte. Mir geht´s ähnlich.

Das Hofbräuhaus in Action sehen
wollen? Klick für Video!
Die Band, das sind die "Original Hühnerbach Musikanten". Der Wirt hat sie für einen Monat aus dem Allgäu importiert. Noch so ein Detail, das das Hofbräuhaus so besuchenswert machen. Die Hühnerbacher spielen sogar mein Wunschlied, "Skandal im Sperrbezirk" von der Spider Murphy Gang. Als Doreen und Cindy, Todd und ich gemeinsam das Hofbräuhaus verlassen, treffe ich noch Klaus Gastager, den Wirt. Er erzählt, wie schwierig es war, das richtige Salz für echt bayrische Brez´n auf zu treiben. Und dass du als Einwanderer tausende Euro mitbringen kannst und trotzdem bei null anfängst, weil du nämlich ohne Creditnummer - quasi das US-Gegenstück zur deutschen Schufa - von den US-Banken höchstens einen Fernseher finanziert bekommst, und sonst gar nichts. Sollte ich jemals in die USA auswandern, weiß ich wen ich um Rat fragen würde. Schöne Flecken gäbe es ja einige, und Immobilien sind preiswert. Sogar in Vegas. Ist mir aber zu heiß hier. Vielleicht San Francisco? Oder Oregon?

Offenbar noch nicht ganz nüchtern, 
Richard 

Sonntag, 19. Juni 2011

Die Sache mit der Emailadresse

Ein herzliches Hallo! aus Las Vegas, wo wir gestern bei einem Ausflug ins Death Valley 112 Grad Fahrenheit auf dem Thermometer stehen hatten; rund 44 Grad Celsius nach deutscher Lesart. Wunderschön war´s trotzdem. Inzwischen kann ich sogar wieder klar denken, und da fällt mir etwas ein, worauf mich Doreen schon vor einigen Wochen angesprochen hat: Ich solle doch mal ein paar Zeilen darüber schreiben, wie unsere Emailadresse "weltreise@richard-loewenstein.de" funktioniert. Jetzt komme ich endlich dazu. Vielen Dank auch an die zwei lieben Menschen, die mich indirekt an meine Aufgabe erinnert haben ;-)

Also, die Emailaresse "weltreis...@..." arbeitet wie ein Emailverteiler bzw. eine Emailliste für unseren Weltreise-Blog. Soll heißen, wer an die Emailadresse "weltre..." schreibt, erreicht Doreen und mich und alle, die auf unserem Verteiler stehen. Auch sich selbst, also nicht wundern. Dasselbe passiert, wenn jemand direkt auf eine "Huch-es-gibt-was-Neues!"-Email unseres Weltreise-Blog antwortet. (Update, ein paar Minuten nachdem dieser Blogeintrag veröffentlicht wurde: inzwischen nicht mehr. Wer direkt auf "Reply" oder "Antworten" klickt, schreibt nur noch an Doreen und mich).






Liebe Grüße von Doreen und mir nach Deutschland,
Richard

Freitag, 17. Juni 2011

Kalifornien Über Alles

Los Angeles, kurzer Zwischenstop am
Rodeo Drive, Luxus und Leute gucken. Keine Stars gesichtet. 


Eines der vielleicht schönsten
 Rock & Roll Diner in den
USA, entdeckt in Oceano/CA. 
Fahrt über den Wolken, in den
Bergen nahe Mendocino.
In den letzten zwei Wochen ist unglaublich viel passiert. Doreen und ich, wir sind fast jeden Tag mit dem Auto unterwegs gewesen, haben im Schnitt 200 Meilen zurückgelegt - rund 300 Kilometer umgerechnet, die meisten davon auf gewundenen Landstraßen in wunderschönen Landschaften. Wir sind die Routen 1 und 101 weiter in Richtung Süden gefahren, von Oregon nach Nordkalifornien und weiter Richtung San Francisco und Los Angeles. Fast immer direkt am Pazifik entlang; auf teils menschenleeren Straßen. Aber wir sind auch in den Bergen auf Höhen von mehr als 2500 Meter geklettert. In der Abenddämmerung, während um uns herum ein paar Gipfel die weiche Wolkendecke durchstoßen. Wir waren querfeldein unterwegs und haben uns in einer afrikanischen Savanne wiedergefunden, wo zwischen mannshohen Gräsern und ausgedörten Bäumen ausgebrannte Panzer verrotten - unsere kleine Straße führt kurz mitten durch einen Truppenübungsplatz der US Armee, komplett mit Schießständen und von Beschuss geschmolzenen Felsformationen. Eine interessante Zeit, aber auch eine anstrengende. Alle drei Tage haben wir neue Ziele definiert, eine neue Unterkunft gesucht, Klamotten raus aus dem Rucksack, rein in den Rucksack. Das laugt aus.

Golden Gate Bridge, San Francisco, die
schönste Brücke der Welt? Von uns ein "Ja!"
Ich hab mich vor einigen Tagen ähnlich gefühlt, wie nach den Redaktionsschlüssen während meiner Zeit bei den Magazinen 360 Live und PS3M. Ausgebrannt. Bin leider auch oft ähnlich hektisch und kurz angebunden wie früher. Doreen leidet darunter, weil ich mich kaum noch auf sie konzentrieren kann, ihr zu selten das Gefühl von Nähe und Liebe vermitteln kann, das sie braucht. Wir reden darüber. Sie hat neulich in ihrem Blog eine schöne Umschreibung für das gefunden, was mich - und auch sie - runter bringt: "Travel Burnout". Was das Wort meint, das hab ich in San Francisco gespürt. Stell dir vor, du spazierst durch diese wunderschöne Stadt, atmest den Geruch des Hafens ein, und entdeckst viele erlebenswerte Orte: Alcatraz, Lombard Street, Chinatown, all die kleinen Cafés und Shops rund um den Fisherman´s Wharf. Eine wunderschöne, sympathische Stadt mit Flair, entspannten Menschen und kompaktem Kern, so dass du dir vieles erlaufen kannst. Trotzdem lösen all diese Begegnungen und Erfahrungen in dir nur ein Gefühl von kurzzeitigem Gefallen aus. Selbst als Doreen und ich an der Golden-Gate-Bridge parken und zwei schöne Stunden in der Obhut dieses großartigen Bauwerks verbringen, verfliegt die Begeisterung schnell. 

Lombard Street, SF: ein
beliebtes Fotomotiv.
Doreen hilft gerne...
Alcatraz, SF: willkommen
im "The Rock".
Unsere vier Tage in Los Angeles haben sich ähnlich angefühlt. Nun war ich sowieso schon ein paarmal beruflich hier und kenne die Stadt daher als unsympathischen und verdreckten Moloch mit dem weltschlechtesten Verkehrssystem. Aber selbst die paar schönen Flecken haben mich diesmal kalt gelassen: Unsere Fahrt durch Beverly Hills und Bel Air, wo sich eine unfassbare Villa an die nächste reiht. Hübsch auch unser Spaziergang durch Hollywood, vorbei am Kodak Theatre, wo sie die Oscars verleihen. Und weiter, entlang dem "Walk of Fame". Dort sind hunderte Medaillen in den Fußgängerweg eingelassen, als Ehrung von Musikern, Schauspielern, Regisseuren... und Comic-Figuren. Donald Duck hat seinen Stern redlich verdient.

Am besten hat mir meine kleine Wanderung rauf in die Hügel gefallen. Raus dem Millionenstau, dafür Blick vom "Hollywood-Sign" runter auf die Stadt. Wieder unten im Trubel, was sehe ich da? Einen Bugatti Veyron auf offener Straße, eines der seltensten und teuersten Autos überhaupt. Kostet irgendwas um eine Million Euro herum, wenn ich das richtig im Kopf habe; und bringt 1000 PS auf die Straße. Völlig irr. Ich spaziere also mit Doreen über den edlen "Rodeo Drive"; sehe neben einer Parkuhr diesen Bugatti stehen; mache kurz große Augen; aber will nur deswegen ein Foto schießen, damit ich irgendwann mal was zum Vorzeigen habe. Eigentlich sollte mich die Begegnung mit diesem Teil wirklich heiß machen. 


Während ich den Bugatti ablichte,
röhren ein Lambo und ein Ferrari
 vorbei. Rodeo Drive, LA halt.
Spätestens da war mir klar: So muss sich Travel Burnout anfühlen. Du spürst viel zu wenig Kraft in dir, dich macht nichts mehr so richtig an. In zu kurzer Zeit zu viel gesehen und erlebt. Höchste Zeit, endlich Batterien aufladen. Das brauche ich dringend nach den unruhigen Wochen in letzter Zeit. Es mag absurd wirken, aber ausgerechnet in Las Vegas fahren Doreen und ich das Tempo runter. Wir sind seit einigen Tagen hier, und wir lassen es ruhig angehen. Wir haben noch kein Casino betreten und keine Show gesehen; wir sind noch nicht zum Hooverdamm gefahren, und haben den Grand Canyon genauso vor uns wie etliche der anderen Attraktionen hier in der näheren Umgebung. Wenn´s nach mir geht, können mir all diese Sehenswürdigkeiten gestohlen bleiben. Denn ich genieße unsere Unterkunft viel zu sehr. Doreen und ich, wir haben endlich mal eine Bleibe gefunden, die unser Budget schont und die uns trotzdem rundrum glücklich macht. Das "Clarion" ist weder schimmerndes Luxushotel noch aufwändiges Megaresort, dafür immerhin ein sehr schönes, gepflegtes und ganz erstaunlich preiswertes Haus. Wir haben ein Zimmer ganz oben bekommen, im elften Stock, und blicken aus bodentiefen Panoramafenstern über die gesamte Zimmerbreite hinaus in die Berge.

Chinatown, SF: Die Menschen
sprechen dich einfach an, du
kommst leicht ins Gespräch.
Unser Zimmer im "Clarion",
mit Blick in die Berge.
Wir können unsere Siebensachen in hübschen Schränken aus echtem Holz  verstauen; und per Vorhang einen kleinen Wohn- und Essbereich vom Schlafzimmer trennen. So darf jeder ab und zu für sich sein, kann sich in Kissen aus etwas Privatsphäre fallen lassen. Ein Luxus, den wir während unserer Weltreise nur sehr selten haben. Jetzt gerade im Moment genießen wir Zeit zu zweit. Ich liege auf der Couch und tippe vor mich hin; Doreen sitzt neben mir und blättert ein bisschen im Reiseführer. Einfach schön. Das wir ausgerechnet im aufgedrehten Las Vegas einen so angenehmen ruhigen Nachmittag verbringen können, wer hätte das gedacht. Allerdings hat uns die Stadt auch bereits mächtig staunen und feiern lassen. Wie, warum, wieso? Demnächst im Blog "In Vegas steht ein Hofbräuhaus".

Sehr viel entspannter, 
Richard 

Montag, 6. Juni 2011

O´Zapft is´ in Washington


Die zauberhafte Welt der
Cascade-Mountains...
Oregon hätten wir beinahe verpasst. Der selbsternannte "Biberstaat" geht zwischen seinen großen Bruderstaaten Washingon im Norden bzw. Kalifornien im Süden fast unter. Doreen und ich, wir hatten Oregon nur als Durchfahrt auf dem Plan. Wir haben auf unserer Straßenkarte grob skizziert, dass wir unseren kleinen Kia Rio von Seattle aus eine Schleife durch Washington drehen, und ihn danach südlich in Richtung San Francisco driften lassen würden. Oregon? Städte, von denen ich noch nie gehört habe. Wälder, die nie enden wollen. Und Biber. Warum also halten? Und doch sind wir jetzt hiergeblieben, im Staat der Fichten und Flüsse, der Berge und Biber. Ist einfach zu bezaubernd, diese Gegend.

Unzählige Seen laden zum Zwischenstopp ein.

Angefangen hat unser Angetansein bei einer Spazierfahrt durch die Landschaft östlich von Seattle, durch die sogeannten "Cascades". Ein Gebirge, vergleichbar den Alpen. Trotz Ferienzeit fährst du auf einsamen Straßen an schneebedeckten Gipfel vorbei, an wunderschön saftigem Grün. Die Wege winden sich an kleinen Bächen und Creeks durch Täler, die wir ab und zu auf 100 Jahre alten, rostigen, ehemaligen Eisenbahn-Brücken überqueren. Dazwischen laden immer wieder kleine Espresso-Buden zu einem kurzen Halt ein. Keine Ahnung, warum, aber die Kunst des Kaffeekochens beherrschen sie hier in dieser Gegend wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. Du kannst hier sogar an der Shell-Tanke halten, Sprit nachfüllen und ein Koffeingetränk genau nach Wunsch bestellen. Ich: "Haben Sie Cappuccino?". Hübsches junges Ding von vielleicht 20 Jahren: "Klar. Ein oder zwei Shots?". Ich: "???". Sie: "Wie hätten sie denn gerne die Mischung? Und den Milchschaum,  wollen sie eher viel oder wenig, eher hart oder weich?". Ich: "?!?". Irgendwann ist die Bestellung erledigt, und mit einer ganz erstaunlich aromatischen Koffeinzauberei im Getränkehalter cruist du weiter. Und entdeckst erstaunliches. Zum Beispiel Bayern mitten in den USA. Gemeint ist ein Ort namens Leavenworth, ungefähr zwei Autostunden östlich von Seattle. Du fährst rein, und denkst du bist am Chiemsee. Als wir den hiesigen Bäckerladen betreten, mögen wir unseren Ohren kaum trauen: im Radio läuft Antenne Bayern. Während ich noch überlege, ob ich ein Stück Schwarzwälder Kirsch oder zwei Mohnsemmeln mitnehme, spricht uns der Bäcker auf mit fränkischem Dialekt an.

...jedenfalls bis du einige Häuser
genauer anguckst. Man beachte
den Dachstuhl.
Leavenworth: du denkst, du bist
in Garmisch... 
Er erzählt, dass die Menschen in Leavenworth früher von Goldsuche, Waldarbeit und der Eisenbahn gelebt hätten. Aber dann sei das Geschäft zurückgegangen. Mitte der 60er-Jahre hätten sich die Bürger der Stadt überlegt, wie ein Aussterben des Ortes zu verhindern sei. Die Lösung: Tourismus, gepaart mit alpiner Bergbauern-Exotik im Bayern-Look. Seitdem gibt´s ein Oktoberfest und eine Blaskapelle. Seitdem müssen alle Neubauten im Ort aussehen, wie sich Amerikaner Garmisch-Partenkirchen vorstellen. Du kannst im "Ritterhof" nächtigen, im "Cafe Mozart" Kuchen naschen, im "Alpenhaus" Souvenirs ergattern und im "Andreas Keller" Leberkäs´ mit Bratkartoffeln einwerfen. Das Bild im Ortskern ähnelt dem eines bayrischen Ferienorts schon sehr, zumindest wenn man die Details außer acht lässt.  Bei genauerem Hingucken merkt man dann schon, dass viele Häuser aus Pressholz und Kunststofffassade gebaut sind, wie oft in den USA. Und dass auf Flachdächer gerne ein kurzer Dachstuhl aufgesetzt ist, der nur rund ein Fünftel des Gebäudes überbaut. Das sieht dann aus wie bei einer Filmkulisse: von vorne echt, von der Seite fake. 

Einer der vielen kleinen Wasserfälle
in den Cascades...
Aber bei einigen Häusern funktioniert die Illusion verflixt gut. Der Wirt der Pension Anna sei einige Mal nach Bayern geflogen und habe sich die Materialien für sein Haus dort zusammen gekauft, erfahren wir von Mark. Er ist ein großer athletischer Typ, und mit Gabi verheiratet. Die beiden führen den kleinen Schreibwaren-Laden "Siegerts Papierplatz" ; und freuen sich tierisch über unseren Besuch aus Bayern. "Meistens kommen nämlich nur Amerikaner hierher", erzählt Mark. Gabis Eltern haben sich in Deutschland kennengelernt. SIe als Deutsche, er als in Deutschland stationierter US-Soldat. Daher spricht Gabi so gut deutsch. Eine Geschichte, die wir schon häufiger gehört haben. Mir dämmert langsam, welch großen Beitrag das US-Militär auf diesem Weg zur Völkervermischung und damit zum Weltfrieden leistet, auch heute noch.  Wir plaudern über dies und das, über unsere Reisepläne; und Mark empfiehlt uns die Stadt Portland als nächste Zwischenstation. Liegt an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Washington und Oregon. Wäre ein schöner Drive dorthin, sagt Mark. 

Eines der Ziele auf dem "Three Capes Loop":
der knuffige Leuchtturm am Cape Mears.
Ende Mai, Westküste USA, kurz
vor Kalifornien: Schneesturm.
Und er hat Recht. Doreen und ich, wir reissen in drei Tagen knapp 1600 Kilometer runter; fahren wie in Trance. Die Straßen schneiden durch endlose Nadelwälder; arbeiten sich in unzähligen Windungen auf Pässe in knapp 2000 Meter hoch; heben sich auf Ebenen hinaus, wo sich weite Kurven an sanft geschwungene Hügel - die "Rolling Hills" - schmiegen. Tannenwälder, Steppe, Sonne, Regen, Schneefall, wir werden binnen weniger Stunden von Eindrücken überschüttet. Die folgenden Tage setzen noch was drauf, denn wir erreichen die Pazifikküste von Oregon. Ein Traum. Die "Interstate 101" schlängelt sich am Meer entlang. Ab und zu gehen kleinere "State Roads" und "Country Roads" ab, quasi die Geheimtipps unter den Straßen. Eine davon nennt sich "Three Capes Loop". Die Schleife führt uns an steile Klippen, idyllische Leuchttürme, einsame Stränden, beschauliche Hafenstädtchen. Woanders in den USA, zum Beispiel in Washington oder Kalifornien, sind große Teile der Küste in Privathand und daher für den Normalsterblichen nicht besuchbar. In Oregon dagegen ist fast alles zugänglich. Auch Doreen genießt die Fahrt, die kurzen Zwischenstopps, die vielen schönen Momente. Den Blick auf Flüsse und das Meer, auf eine oft wundervolle Weite. Sowas kenne ich aus Europa nicht. Ich kann hier stundenlang über nahezu leere Straßen cruisen, ohne dass Ampeln, Kreisverkehr oder Siedlungen die Fahrt unterbrechen. Einfach ein Traum, sogar in unserem spartanischen Miet-Kia mit Kurbelfenster und Leistungsloch, aber schneller Automatik, guter Kurvenlage und großen Guckfenstern. Hier muss ich nochmal mit dem Motorrad her.  
Die Route 101 führt von Seattle bis nach Kalifornien,
oft direkt an der Pazifikküste entlang. 

 Irgendwann sind wir im romantischen Küstenstädtchen Bandon hängen geblieben. Die Leute hier schlendern über eine kleine Strandpromenade,  schlürfen in den Cafés ihren Cappuccino (ja, auch hier!) oder lassen beim Krabbenfischen die Seele baumeln. Unsere Bleibe hier heißt "Sea Star Lodging",  und sie hat uns mit einem wundervollen Zimmer für relativ überschaubares Geld geködert. Von der Couch aus blicken wir durch das große Fenster auf ein paar schaukelnde Segelboote im Hafen vor uns. Schade, dass wir hier nur wenige Tage ausspannen. Aber es gibt noch so viel zu erleben in den USA: die Redwood-Wälder durchforsten wir gerade, während ich diese Zeilen tippe. Es folgen San Francisco, Las Vegas, Nevada. Außerdem würde ich gerne ein paar nette Leute treffen, die anlässlich der Videospiel-Messe E3 nach Los Angeles pilgern. Wir folgen dem Ruf.  

Immer auf der Jagd, 
Richard 





P.S.: hier noch ein paar Momentaufnahmen aus den letzten Tagen.