Sonntag, 9. Oktober 2011

Zwei Tage Mekong (mit Video!)

Der Mekong in seiner ganzen Schönheit.
Wer bewegte Bilder sehen mag: ich hab
die Videokamera rausgehalten. Bitte klicken!





Den Namen "Mekong" habe ich bis vor kurzem mit einer Doppeldosis Exotik verbunden. Ein Strom mitten durch den dichten Dschungel. Asien. Bürgerkrieg. Leidende Menschen. Mutige Einzelkämpfer, die das Böse niedermähen. Die Bilder eben, die Nachrichten- und Unterhaltungs-Medien in westlichen Breiten streuen. Ganz ohne Grundlage sind die Bilder ja offenbar nicht. Mein Vater hat mir in einer Email geschrieben, der Mekong sei in den Siebzigern fast täglich in den Medien zu sehen gewesen, während des Vietnamkrieg. Tja, und jetzt bin ich hier, an Bord eines "Slowboat". Der einfachste nur denkbare Kahn. Rumpf aus Eisen, offener Aufbau aus schwerem Holz. 
Und los geht´s: Einsteigen für
zwei Tage Slowboat-Fahren
auf dem Mekong.
Offene Fensterrahmen gestatten einen freien Blick auf die Umgebung. Hinten stampft ein Isuzu-V8-Diesel vor sich hin. Wahrscheinlich aus einem Schrott-LKW gerupft. Die fast direkt an die Kurbelwelle angeflanschte Schiffschraube sorgt für gemächlichen Vortrieb. Gemeinsam mit Doreen und vielleicht 60 bis 70 anderen Passagieren treibe ich den Mekong runter. 
Große Freude: Das Boot bietet genug
Stauraum auch für großes Gepäck.
Unsere Passage führt von Chiang Mai in Thailand aus nach Luang Prabang in Laos. Drei Tage dauert die Reise insgesamt. Von den rund 320 Kilometern Wegstrecke legen wir die erste Hälfte mit einem kleinen Bus zurück, den Rest soll uns der Mekong tragen. Wir haben uns bewusst gegen schnellere Alternativen entschieden. Beim Flug würden wir nichts von der Umgebung sehen, und auf Busfahren haben wir keine Lust. Der erste Tag? Unspektakulär. Ein kleiner Minivan klaubt Doreen und mich vor unserer Bleibe in Chiang Mai auf. Wir entern den Nissan, verlassen die Stadt und genießen die - nur von gelegentlichen Pausen unterbrochene - Fahrt durch entlegenes Hinterland. Am frühen Abend ist das Etappen-Ziel des Tages erreicht: Chiang Khong, hoch oben im Norden von Thailand. Von der Terrasse unseres einfachen Gästehauses gucken wir auf den Mekong. Auf der anderen Uferseite schälen sich ein paar Häuser und Palmen aus dem Abendlicht: Laos. 

Wir kreuzen stundenlang an
unberührter Natur vorbei...
Zwischenstop in Pak Beng:
Kinder beim Fußballspiel.


Am nächsten Morgen bringt uns der freundliche Hauswirt mit seinem Pickup zur Pier: Doreen und ich setzen mit einem kleinen Boot über, wir sind in Laos. Der Grenzübertritt läuft unproblematisch, danach wird´s etwas abenteuerlich. Ein  laotischer "Guide" sammelt uns und weitere Reisende ein und treibt uns in sein Büro. Dort schildert er in der ganzen Breite seines englischen Wortschatz, welche Gauner, Gepäckdiebe und andere Gefahren in Laos lauern würden. Und wie vortrefflich es sei, dass er sich um uns kümmert, denn jetzt könne uns nichts mehr passieren. Er möchte nur noch alle unsere Reisepässe sammeln, damit er die Namen mit den Anmeldungen für das Bootticket abgleichen kann. 
Slowboats:  Touri-Transporter und
 Zuhause für laotische Familien.
Einer der Passagiere hat einen
kleinen weiteren Passagier dabei.
Nunja, so richtig Lust macht das alles zwar nicht. Aber Doreen und ich, wir sind nach fast zehn Monaten Weltreise halbwegs abgeklärt in Sachen Sprüchemacher. Wir nehmen es wie es kommt, und tun aber auch was dafür, dass uns eben möglichst niemand blöd kommt. Andere aus unserer Gruppe sollten weniger Glück haben. Einer muss im Lauf der Reise wegen Visaüberziehung 300 Euro Strafe zahlen; ein anderer lässt sich beim Kauf von Gras erwischen; zwei Mädchen aus der Schweiz werden um ihre vorab bezahlte Unterkunft betrogen, weil sie keine Quittung vorlegen können. Doreen und ich und die meisten Passagiere, wir bleiben verschont und können die Fahrt über den Mekong rundum genießen. 

Nur ab und zu kommt mal ein
anderes Boot in Sicht.
Nach ein paar Stunden hatten
die Engländer dann auch mal
genug vom feiern...


Dass fällt uns etwas leichter als anderen. Immerhin haben wir einen Sitzplatz. Dieses Privileg genießen außer uns noch ein paar andere Touristen, dafür aber alle laotischen Passagiere. Die Hiesigen wissen offenbar, dass es auf diesen Booten zu wenig Sitzreihen für zu viele Passagiere gibt. Sind wohl schon zum ersten Hahnenkrähen an Bord geklettert. Rund 10 Touristen kreuzen dagegen erst kurz vor Auslaufen auf, und nehmen zwangsläufig auf dem Teppich am Boden Platz. Interessanterweise alles Engländer. Ich denke kurz an meinen alten Job. Wenn ich da zu Pressekonferenzen eingeladen wurde: Da waren es auch oft Engländer, die als letztes zu ihrem Platz finden; danach in die Bar dafür umso schneller. Genau dasselbe bei uns an Bord. Die englische Gruppe bringt es richtig hart. Bauen Laptops auf, hängen Aktivboxen mit irgendeiner Dancefloor-Mucke dran. Jeder einzelne legt iPhone und irgendeine Nikon-Spiegelreflex gut sichbar auf den Boden; dazwischen mehren sich leere Whisky-, Cola- und Bierflaschen. Bald sieht´s aus wie bei Charlie Sheen nach seinem Rauswurf bei "Two and a half Men". 



Die versaufen hier in ein paar Stunden mehr Geld, als ein Laote im Schnitt im Monat verdient: 150 Euro. Dass einige der Asiaten an Bord ihre anerzogene Zurückhaltung aufgeben und sich einen grimmigen Gesichts-Ausdruck leisten, wundert mich kein bisschen. Das Boot ist aber gottlob groß genug. Ich kann dem Elend aus dem Weg gehen, mir die Beine vertreten und mit anderen Weltenbummlern in Kontakt kommen. Mit Andrea aus Sao Paulo, die nach vielen Jahren im hektischen London jetzt in Laos zur inneren Ruhe finden mag. Oder mit Philipp aus München. Er möchte nach bestandenem Abi drei Monate lang Asien erleben, bevor er sich dem Studium widmet und danach womöglich sesshaft wird. Ist schon ein bunter Menschenhaufen. Überraschend viele junge Alleinreisende, ein paar Pärchen, ein paar etwas ältere Herrschaften. 


Bei meiner Erkundung entdecke ich ganz hinten im Boot einen kleinen Ausguck - im Privatbereich? Zwischen Matratze, Kochflamme und ein paar Klamotten an der Wäscheleine bleibt genug Platz, dass ich den Blick schweifen lassen kann. Der Mekong ist wenig befahren. Unser Boot hält meistens eine Fahrrinne in der Flußmitte. Ab und zu ändert es den Kurs, weicht den ungezähmten Stellen des Mekong aus. Ein paar Stromschnellen und Strudel flößen mir Respekt ein. Ganz selten zischt eines dieser zerbrechlichen Schnellboote vorbei. Sehen aus wie Jetski aus Holz. Ein bis zwei Passagiere hocken dort auf schmalen Bänken, so verkrampft wie nach drei Tagen Darmverstopfung. Wie scheisse muss sich das anfühlen, zusammen mit der Wackelei, der Nässe und der Hitze unter dem Vollvisierhelm. 

Zwischenstopp an einem der
  der wenigen Dörfer.
Ein paar Kinder aus dem Dorf
entern das Boot...
...wollen uns Coke,
Bier und Obst verkaufen.
Großes Gefeilsche!


Die braune Färbung des Wassers wurde mir mit dem Monsun erklärt. Der Regen spült Erde in den Fluß, daher. Der Himmel bildet einen starken Kontrast dazu. An manchen Stellen strahlen mir hellblaue Flächen entgegen, in anderen Richtungen unterstreichen dramatische Wolkenformationen die Wildheit der Landschaft. An den Ufern des Mekong knospen Hügel, voll von Palmen, Büschen und Laubbäumen. Unberührte Natur. Nur selten zeigt sich menschliches Wirken. Nämlich dann, wenn Reisfelder und ein paar auf Stelzen stehende Hütten Farbflecke in die sattgrüne Fauna stanzen. Sobald eines der wenigen Dörfer in Sicht kommt, lässt das Stampfen des V8-Diesel etwas nach. Das Boot dreht bei, steuert das Ufer an und kommt seinen weiteren Funktionen nach. Es transportiert nicht nur Touristen von A nach B, sondern auch Einheimische, Gepäck, Waren, Post. 
Einen Steg gibt´s fast nie. Der Kapitän lässt das Boot auf Sand laufen. Scheint der Tageshöhepunkt für die Dorfbewohner zu sein. In beinahe jedem Fenster der paar Strohhütten sind neugierige Augenpaare zu sehen. Ein paar Menschen rennen ans Ufer, winken uns später zum Abschied. Und immer wieder die Kinder, überall. Laos ist voller Kinderlachen. 
Unser Ziel: Luang Prabang 
Ich hab neulich Fernsehen geschaut. Einen deutschen Sender namens DW-TV, der via Satellit in alle Welt verbreitet wird. Da meinte Oskar Lafontaine, die Stimmung in Deutschland leide unter der Kinderarmut. In Frankreich gäbe es doppelt so viele Kinder, und das sei spürbar. Ich mag ja viele seiner Thesen nicht, aber damit hat er recht.

Am dritten Tag erreichen wir frühabends unser Ziel: Luang Prabang, die laut Lonely-Planet-Reiseführer romantischste Ecke von Südostasien. Eine Stadt, wie es sie in der industrialisierten Welt nicht mehr gibt. Ohne McDonalds, Einkaufszentrum oder auch nur einen Supermarkt. Ein bezauberndes Shangri-La, dessen Charme sich aus viel Grün, freundlichen Menschen und alten Kolonialhäusern aus französischen Zeiten addiert. Plus die Lage: Ausläufer des Himalaya-Gebirges sorgen für eine sehenswerte Umrahmung. Viel Zeit zum Kennenlernen der Stadt bleibt uns allerdings nicht. Wir sind vor allem hier, weil Doreen zwei Wochen lang freiwillig im "Mekong English Centre" arbeiten und den Lehrern beim Englisch-Unterricht assistieren möchte.  

Bin gespannt auf die Erfahrungen, die sie dabei sammelt, 
Richard 














3 Kommentare:

  1. ja, ja, der Kinderreichtum in den Entwicklungsländern und die Kinderarmut in mitteleuropäischen Ländern, besonders Deutschland, ein Fakt, der von unserer Politik nicht erkannt oder aber verniedlicht wird und wohl zu noch nicht abzusehenden Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur der Erde führen wird.

    AntwortenLöschen
  2. Gefühlsmäßig glaub ich ja, dass sich die Geburtenquote in Asien über die nächsten drei bis vier Generationen ebenfalls stark nach unten entwickelt. In Hongkong siehst schon jetzt sehr wenig Kinder; China wird meines Wissen immer noch per staatlich verordneter Geburtenkontrolle gegängelt. In Thailand, und auch hier in Laos scheinen sich sich die Dinge ultraschnell zu verändern. Waren neulich mit einer von Doreens Schulkollegin beim Barbecue. Sie dürfte so um die 25 sein. Hat erzählt, dass sie sich aus ihrer Kindheit noch an den Medizinmann in ihrem Dorf erinnern kann. Und dass sie keinen Strom hatten. Heute, also keine ganze Generation später, besitzt hier jeder ein Handy. Die legen hier zwar viel Wert auf ihre eigene Identität und Werte, aber trotzdem - vom westlichen Drang nach mehr Reichtum und Eigentum (und also weniger Zeit bzw. Geld für Kinder) werden die Asiaten wohl nicht verschont bleiben.

    AntwortenLöschen
  3. Da sollten wir Deutschen uns mal ne scheibe abscchneiden. Nur das wir hier in Deutschland schon zweimal überlegen müssen ob wir uns überhaupt leisten können. Allein schon wegen der Betreuung während man Arbeiten geht.

    Liebe Grüße Jutta

    AntwortenLöschen