Mein Gehör arbeitet wieder wie es soll. Das ist auf Bangkoks quirligen Straßen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Speziell für jemand wie mich, der Menschen und Fahrzeuge eher mit den Ohren als den Augen ortet. Somit steht weiteren Erkundungen der Umgebung nichts mehr entgegen. Als Rückgrat dient uns Bangkoks preiswertes und leicht zu durchschauendes Nahverkehrs-System. Der BTS-Skytrain fegt auf Stelzenschienen in 20 Meter Höhe über die Staus auf den Straßen hinweg. Wo er uns nicht hinträgt, da nehmen wir die supersaubere MRT-U-Bahn oder die kleinen Fähren auf dem Fluß Chao Phraya.
Wat Po. Vielleicht die schönste Tempelanlage von ganz Asien. |
Für mich ist Bangkok ganz sicher die asiatischste, vielleicht sogar die quirligste Stadt unserer bisherigen Reise. So viele Straßen, so voller Leben und Menschen! Ständig packt irgendwo ein Händler Gemüse, Spießchen und andere Waren auf seinen mobilen Verkaufstand; Menschen sammeln sich zur Mittagspause auf kleinen Holzbänken und schaufeln sich Reis oder Nudeln in den Mund; auf den Märkten geht´s zu wie am Stachus nach Feierabend. Da wo sich Touristen scharen, bilden häufig billige Kopien teurer Markenartikel den Anziehungspunkt. Eine Rolex für 19 Euro? Ein Puma-Shirt für 4 Euro? Aktuelle Kinofilme auf Bluray-Rohling für 3 Euro? Ich will jetzt gar nicht von Moral und so anfangen, das hätte in Asien sowieso wenig Sinn. Aber das Zeug taugt einfach nichts. Entweder scheint das niemand zu merken oder zu kratzen, oder die Verführungskraft eines Ferrari-Logo auf einer schlecht vernähten Lederjacke ist einfach zu groß - gekauft und getragen wird das Zeug jedenfalls wie doof.
Der Wat-Arun-Tempel, vom Fluß Chao Phraya aus betrachtet. |
Wer erleben mag, wie maximal weit sich die Schere zwischen arm und reich zu öffnen vermag, dem empfehle ich einen Bummel durch die Central-Mall. Da kannst du vollklimatisiert an Schaufenstern voller teurer Lacroix-Uhren vorbei schlendern, den blitzblank gekachelten Boden der Megamall via Seitenausgang verlassen, und findest dich in einem schäbigen Slum wieder. Bloßer Erdboden, verwitterte Wellblechbuden, graue Wäsche trocknet auf rostigen Ständern. Irgendwo dazwischen hocken Frauen in abgetragenen Klamotten auf feuchten Brettern und brutzeln sich in der Pfanne ein paar Reste vom Fisch, den sie vermutlich im brackigen Kanal gleich nebenan gefangen haben. Kinder spielen zwischen Essensresten, Reifen und den Pfützen des letzten Monsunschauers.
Als Doreen und ich in diese Szene hinein geraten, fühlen wir uns anfangs wie im falschen Film, mit unserer Coke-Zero-Dose in der Hand und den frisch gewaschenen Marken-Trekking-Klamotten am Leib. Aber die von Armut Geküssten gucken entweder nicht, oder sie schenken uns ein ehrlich gemeintes Lächeln. Das Gefühl von Bedrohlichkeit und Unwohlsein löst sich im Nu wieder auf. Ja, auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise lullt uns Bangkok in ein Wohlfühlgefühl ein. Im Slum, und auch sonst. Sogar an einem Ort wie dem, im Blog-Teil Eins erwähnten Zwielichtviertel von Bangkok, in der Sukhumvit Soi 4 - einer der Seitenarme der Sukhumvit-Straße, wo einsame Männer und exotische Frauen zueinander finden.
Doreen kämpft sich den Wat Arun herauf. Wie die Sicht von oben ist? Siehe Video! |
Als Doreen und ich in diese Szene hinein geraten, fühlen wir uns anfangs wie im falschen Film, mit unserer Coke-Zero-Dose in der Hand und den frisch gewaschenen Marken-Trekking-Klamotten am Leib. Aber die von Armut Geküssten gucken entweder nicht, oder sie schenken uns ein ehrlich gemeintes Lächeln. Das Gefühl von Bedrohlichkeit und Unwohlsein löst sich im Nu wieder auf. Ja, auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise lullt uns Bangkok in ein Wohlfühlgefühl ein. Im Slum, und auch sonst. Sogar an einem Ort wie dem, im Blog-Teil Eins erwähnten Zwielichtviertel von Bangkok, in der Sukhumvit Soi 4 - einer der Seitenarme der Sukhumvit-Straße, wo einsame Männer und exotische Frauen zueinander finden.
Die neuesten Filme gucken Thais nicht im Kino; sondern holen sie sich auf dem Markt als Raubkopie. |
Doreen und ich, wir wollten das alles mal aus der Nähe sehen und erleben: Die zur Straße hin offenen Bars, wo mehr oder weniger junge und gutaussehende Asiatinnen auf Hockern sitzen und auf was-auch-immer warten. Die englischen Männerhorden, die durch das Pub gröhlen. Die grauhaarigen Zwei-Zentner-Senioren, denen ein kaum ein Drittel so altes Mädchen im Windschatten folgt. Wir folgen dem Rat von John, dem Engländer. Er lebt seit zehn Jahren in Bangkok, und empfiehlt das Lokal "Heidelberg" wegen der Wiener Schnitzel und den "Homefries", den Bratkartoffeln. Nur das Bier sei nicht so toll - aber das sagt er bestimmt, weil er sein Geld mit dem Import von Carlsberg verdient. Das haben sie im "Heidelberg" nicht, sondern Chang Lager und Franziskaner Weiße. Am Eingang sitzt eine Frau mittleren Alters auf einem einfachen Holzstuhl, die Beine überschlagen, das Top einen Tick zu hauteng. Sie mustert Doreen und mich; kommt offenbar zu dem Ergebnis, dass wir zwei einander ausreichend Gesellschaft leisten; dreht sich ein wenig zur Seite und gibt den Weg ins Etablissement frei. Wären da nicht zwei bis drei weitere Asiatinnen in Warteposition, das "Heidelberg" würde auch irgendwo in Süddeutschland als Kneipe durchgehen. Die lange Bar, das schwere Holz, das dunkle Ambiente, der alpenländische Kitsch an den Wänden: Das ähnelt schon sehr "meinem" Münchner "Simpl" in der Balanstraße. Gruß übrigens!
Nach lecker Essen ziehen wir ein paar Hausnummern weiter, in eine der vielen Bars an der Straße. Wir haben Glück: Ein kurzer Regenschauer hat die meisten Gäste von den Terrassen direkt an der Straße vertrieben. Wir finden zwei Hocker und lassen das Potpourri aus Menschen, Gerüchen und Lebensgeschichten an uns vorüber schlendern. Zum Beispiel den fliegenden Händler, der uns mit bunten Regenschirmen im Knirps-Format anwinkt, obwohl wir doch offensichtlich einen trockenen Platz unter dem Vordach gefunden haben. Ein anderer demonstriert mir seinem Taschenlaser, indem er einen großen roten Fleck auf ein rund 200 Meter entferntes Gebäude brennt. Eindrucksvoll, denke ich mir, was die hier auf offener Straße so alles verhökern. Erst Elektroschocker, Wurfsterne und Klappmesser, und jetzt das. Was das Teil wohl an meiner Retina anrichtet, wenn ich direkt in die Linse gucke. Zwei junge Asiatinnen neben uns kichern und kungeln derweil um einem offenbar wohlhabenden Europäer. Jedenfalls sitzt er nicht im gefälschten Puma- oder Lacoste-Shirt am Tresen, wie etliche hier. Ob der Herr wohl mitkriegt, dass die hübschere der beiden Damen ihre spendierten Drinks auf die Straße kippt, immer wenn er seinen Blick kurz abwendet? Tut sie das zwecks Anteils-Maximierung an einer höheren Zeche, oder für den klaren Kopf in der Endphase der Abschleppaktion? Die Kinder hinten im Raum kümmert das alles nicht. Sie spielen Fangen und gucken Fernsehen.
Kann´s niemand übelnehmen, der solche Szenen ernüchternd, peinlich oder abstoßend findet. Aber Doreen und ich, wir haben einen schönen Abend in ungezwungener Atmosphäre. Als zum Beispiel ein "Ladyboy" direkt vor uns die Straße mit hoffnungslos übertriebenem Hüftschwung rauf und runter stöckelt, lachen wir ein bisschen und kriegen beim Augenkontakt ein nettes Grinsen zurück. Besonders angenehm finde ich, wie wir in aller Ruhe bei Singha-Bier und Campari-Orange abhängen können, ohne dass jemand uns - als eines von vielleicht zwei "Normalo-Pärchen" in der Straße - schief anschaut oder blöd anmacht. Letzten Endes vertreiben sich hier halt doch viele "normale" Männer die Zeit; trinken was und freuen sich darüber, dass sie allein in eine Bar gehen können und sofort von den Mädchen angesprochen werden. Hier bleibt niemand lange allein, der Gesellschaft sucht. Doreen lächelt mich einige Male an und erzählt mir, wenn sie ein Paar händchenhaltend davon gehen sieht. Soll ja gar nicht so selten vorkommen, dass sich die Männer am Ende verlieben und die Frauen zu sich in die Heimat holen. Ob solche Paare glücklich werden? Kann es ihnen nur wünschen.
Ich hab mein Glück ja schon gefunden.
Richard
Sukhumvit Soi 4. Eine Straße mit viel Verkehr. |
Apropos Essen: etwas Thai-Philosophie passend dazu. Gefunden im Art Centre am Siam Square. |
Händler, Touris, Mädchen, Fressbuden, Baustellen, Mopeds: einen Mangel an Leben und Farben kann man der Soi 4 bestimmt nicht vorwerfen. |
Ich hab mein Glück ja schon gefunden.
Richard
Kaum war man mal im Urlaub, gehts hier rund... :-) Ihr seid ja ganz schön fleißige Schreiberlinge!
AntwortenLöschenMein Ex-Kollege schwört übrigens auf seine Glashütte-Uhr, die Birkenstock und seine Diesel-Jeans aus Thailand... ;-)
Ein interessanter Post, der mit einem wunderschönen Satz endet! Schöööööönnnn!
Auf die letzte Frage. Ob solche Paare glücklich werden. Kann ich antworten. Ja. Wir haben einen bekannten der schon seit etlichen Jahren mehrmals im Jahr nach Thailand geflogen ist. Und dort hat er seine große Liebe gefunden. Mittlerweile sind sie seit gut einem jahr verheiratet. Und sie wohnen hier in Deutschland, genauer gesagt in Ergolding. Sie ist eine ganz nette. Mittlerweile hat sie mehrer Deutschsprachkurse hinter sich, und man kann sich gut mit ihr unterhalten.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Jutta
P.S. Freut mit das es deinen Ohren wieder besser geht.
der allererste Satz und der allerletzte Satz dieses Blogs sind einfach schön und beruhigend, alles was dazwischen liegt, wahnsinnig interessant, wirklich....
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