Montag, 25. Juli 2011

Chinesen lächeln selten


Der Kleine hat gut lachen: der Vorplatz zum Hotelresort
"1881" an der Salisbury Road in Kowloon ist echt hübsch.
Die Menschen von Hong Kong, das ist ein Kapitel für sich. Als Gast der Stadt bestens aufgehoben dürften sich all jene fühlen, die von Herzen gerne ignoriert, oder mit Freuden zur Seite gerempelt werden. Kein Rassismus beabsichtigt: Aber unter all den Leuten in Hong Kong sind es vor allem die Chinesen, die mir so freundlich und zugänglich vorkommen wie eine Wiesn-Bedienung, nachdem ich ihr kein Trinkgeld gegeben habe. Auf den Straßen, in den Bahnen, zwischen den Häusern: Überall schneiden, drängen und drücken sich anonyme Menschenströme rücksichtslos an uns vorbei. In Shops oder Lokalen werden wir gleichgültig bis unfreundlich bedient. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel die Angestellten im Hotel "Mandarin Oriental", das wir aus reiner Luxus-Neugier besuchen. Aber nur selten fangen wir so freundliche Blicke ein wie hier. Gespräche mit Einheimischen kommen kaum zustande, weil die meisten kein Englisch sprechen oder höchstens Standardfloskeln beherrschen. Das hätte ich in einer ehemals englischen Kolonie wie Hong Kong anders erwartet. Inzwischen habe ich erfahren, dass die chinesische Regierung in den Schulen das Pflichtfach Englisch zugunsten von Mandarin abgeschafft hat. Das dürfte die Erklärung sein. 

Aber auch daran hat man sich irgendwann gewöhnt, und kann Hong Kong genießen. Vor allem das Flanieren durch das Zentrum. Im letzten Blog namens "Hong Kong zwischen schön und scheußlich" habe ich ja über unsere Bleibe in Kowloon gelästert, jedoch, so windig das "Germany Hostel" sein mag: Es befindet sich in Gehnähe zum Mittelpunkt von Hong Kong, sprich Hong Kong Island mit den wohlhabenden Stadtteilen "Central" und "Admiralty". Den Banken-, Regierungs-, Geschäfts- und Reichenvierteln. Hier sind all die Wolkenkratzer mit den chromglänzenden Fassaden und interessante Bogenkonstruktionen versammelt, wegen denen Hong Kong millionenfach abgelichtet wird. Ist eine umwerfende Skyline, vor allem wenn der Abend heran bricht. Dann verschwindet das Grau der vielen scheusslichen Hochhäuser von Hong Kong in der Dämmerung, und es bleiben nur Farben übrig. Regenbogenbunte Lampen und Lichter und Leuchtreklamen vor den schwarzen Silhouetten der Berge. Das hat was Magisches an sich, vor allem bei Betrachtung vom Wasser aus, wenn du per Fähre von Kowloon bzw. Tsim Sha Tsui nach Hong Kong Island übersetzt. Oder wenn du das alles von hoch oben aus betrachtest, vom Scheitel des direkt ans Zentrum angrenzenden Berges "Victoria Peak" aus, knapp 400 Meter über der Stadt. 

Hong Kong Island, vom Victoria Peak aus
betrachtet. 
Dasselbe bei Nacht. Doreen und ich,
wir haben ein kleines Video gedreht.
Dein Klick wäre uns eine Ehre!
Den Berg haben Doreen und ich am Sonntag angesteuert. Hauptsächlich, weil es a) trotz Regenzeit mal nicht duscht und weil b) der Wind keinen schlimmen Smog aus den nördlich gelegenen Industrie-Metropolen Shenzhen und Guangzhou rüber weht. Kurz gesagt, die Sicht ist gut. Trotzdem ein blödes Timing, weil a) raufwandern im subtropischen Mitte-Juli-Klima dich killt und weil b) der Aussichtspunkt bei Touristen wie Hiesigen gleichermaßen beliebt ist. Alle wollen sich von der altertümlichen Bergbahn namens "Tram"  rauftragen lassen. Ergo ist eine Stunde anstehen angesagt, so als wäre im Europapark in den Sommerferien eine neue Doppelschrauben-Loopingbahn eröffnet worden. Wer wieder runter will vom Berg, durchleidet dasselbe Spiel. Der Ausblick entschuldigt aber die schlechte Planung; ein bisschen Bummelei durch das nette Einkaufszentrum "The Peak Tower" da oben vertreibt schlechte Gedanken im Nu; vor allem aber bringt ein hübscher Wanderweg Doreen und mich aus dem Trubel raus. Selbst am überlaufenen Sonntag finden wir hier oben ein einsames Fleckchen; machen es uns gemütlich; blicken über ganz Hong Kong Island; und sehen dabei zu, wie die Wolkenkratzer ihren schimmernden Abenddress überwerfen.


Hong Kong steckt voller Luxus-
Shops. Aber kein Diamant
strahlt so schön wie Doreen.
 
 
Was gibt´s sonst zu sagen? Für meinen Geschmack wird in Hong Kong vieles allzu streng geregelt. Im Park darfst du dich nicht auf die Bank legen; in der Bahn nicht essen oder trinken; und ständig mahnen Durchsagen, dass du dich auf der Rolltreppe festhalten und kein schweres Gepäck damit transportieren sollst. Auch das Gerücht mit der Internet-Zensur stimmt. Als Doreen via gmx.de Prinzessin Katis Kleid beim Besuch in Kanada angucken möchte, klappt statt Klamotten ein Warnfenster auf: Die Seite ist gesperrt. Andererseits gefallen mir viele gute Ideen hier. Zum Beispiel das kostenlos und meiner Erfahrung nach ziemlich flächendeckende WLAN-Internet. Und das "Octopus"-Zahlungssystem: Mit der gleichnamigen Geldkarte kann ich in Supermärkten einkaufen, im McDonalds meinen Burger bezahlen, und jedes öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Klappt herrlich einfach: Magnetkarte an den Scanner halten, einsteigen, fertig. 

Bahn, Bus, Tram: alles kommt alle
paar Minuten, kost fast nix,
lässt sich bargeldlos zahlen. Top!
Überhaupt, der Nahverkehr. Davon könnte sich so ziemlich jedes deutsche Verkehrs-System was abgucken. Ist schneller, zuverlässiger, preiswerter als bei mir zuhause in München. Es gibt keinen Fahrplan, weil alles so oft fährt. Und die Bezahlung... aber das hatte ich ja schon erwähnt. Außerdem haut mich Hong Kong als Shopping-Paradies um. Eigentlich kann ich der stundenlangen Produkt-Jagd recht wenig abgewinnen, viel weniger jedenfalls als Doreen. Aber was es in Hong Kong an Elektronik, Klamotten und Luxus gibt, das stellt alles in den Schatten. Du findest einfach alles, und vieles davon sehr preiswert, weil in Hong Kong keine Mehrwert-Steuer anfällt. Keinen Schimmer, warum im Flughafen trotzdem Legionen von Touristen die Duty-Free-Shops anströmen. Egal, der Airport ist trotzdem einen Tages-Aufenthalt wert. Du kannst dir in hunderten Shops die Zeit vertreiben; auf Schlafcouchen vor dich hin träumen;  dir in kleinen Wohnzimmer-Kinos eine Privatvorstellung gönnen; auf Aussichts-Plattformen den Airbus A380 starten sehen; in über 30 echt preiswerten Lokalen den Magen voll schlagen. Es gibt gratis WLAN, Auflade-Stationen, Duschkabinen und und und. Kaum zu fassen, dass sich so vieles so clever auf so kleinem Raum mit so kurzen Wegen unterbringen lässt. Macher von München-Erding, guckt euch das an. Wird Zeit, das wir Europäer Ideen aus Asien klauen. 

Am Sonntag treibt´s jede Menge Frauen aus ihren
kleinen Buden raus an die frische Luft. 
Apropos nachbauen: Die Struktur der Stadtteile "Central" und "Admiralty" würde ich unbedingt als "kennenlernenswert" umschreiben. In den unteren Stockwerken etlicher Gebäude drängen sich Shops auf Shops, und Einkaufszentren auf Einkaufszentren. Und fast alle sind irgendwie über Brücken und Tunnels miteinander verbunden. Du musst zwecks Vorankommen fast nie nach draußen wechseln und unter offenem Himmel unterwegs sein, wenn du das nicht willst. Der Schritt nach draußen lohnt sich aber. Es ist schon ein interessanter Anblick, das Leben auf der Straße. Hong Kong ist auch in der Hinsicht anders. Trotz  gut ausgebauter Straßen siehst du fast nur Busse und LKWs. Kaum jemand scheint ein eigenes Auto zu besitzen.  

Ortswechsel á la Hong Kong:
Unten fließt der motorisierte
Verkehr, auf den Brücken
strömen die Menschen. 
Nur im Zentrum erfassen meine Augen einen Bankertyp im Ferrari F430, eine Frau im hübsch getunten Golf GTI, einen Anfangvierziger im Nissan GTR. Dazwischen Flotten von Doppeldecker-Bussen und -Straßenbahnen, die emsig ärmere Gesellschafts-Schichten von A nach B transportieren. Und überall Frauen. Dutzende. Hunderte. Tausende. Sitzen in Nebenstraßen, unter Brücken und auf Plätzen in Gruppen zusammen, tratschen, trainieren Tai Chi und Tanzschritte, chatten am Laptop oder daddeln am iPhone. Unfassbar, wie viele Asiaten das Apple-Gerät dafür nutzen. Da tun sich für meine beruflichen Ambitionen nach der Weltreise - Game-Development auf dem iPhone ist angedacht - richtig Chancen auf. Die Frauen jedenfalls scheinen froh zu sein, wenn sie für ein paar Stunden ihren engen Buden entkommen. Die meisten sehen aus, als seien sie von den Philippinen und anderen ärmeren Regionen eingewandert.

Auch solche Landschaften verstecken sich im
Großraum von Hong Kong. Aber davon kriegst du in der Stadt kaum was mit.
Was ich so mitkriege, betreuen etliche von ihnen gegen Kost, Logis und etwas Lohn bei hiesigen Geschäftsleuten  Haushalt, Kind und Kegel. Sie hoffen bestimmt auf ein besseres Leben. Darauf, dass sie selbst einen wohlhabenden Mann abkriegen. Aber das ist nur eine weitere der vielen Facetten von Hong Kong. Es gäbe noch so vieles zu entdecken. Doreen ist  vermutlich dankbar, dass wir nach rund zwei Wochen nun einem anderen Ziel entgegen streben. Das paradoxe Nebeneinander aus grüner Natur und grauem Betonflächen übt auf Doreen keine allzu große Faszination aus. Sie fühlt sich in dem Häuserdickicht wie eingesperrt, vermisst große Flächen und eine ausladende Weitsicht. Ich könnte auf das Gewühl der Menschen und ihren rücksichtslosen Umgang untereinander ebenfalls verzichten. Finde trotzdem, dass Hong Kong mehr Besonderes an sich hat als die meisten anderen Städte, die Doreen und ich während unserer bisherigen Weltreise besuchen durften. War schön, das erleben zu dürfen. Jetzt freue ich mich auf ein ganz anderes Asien: Thailand.  

Gruß vom Peak, 
Richard

4 Kommentare:

  1. Wow, klingt sehr interessant. Muss ich auch mal hin. Besonders die Architektur gefällt mir!

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  2. ..wenn man bedenkt, daß HongKong zu China gehört ...dieser Service in der Öffentlichkeit...hätte ich nicht gedacht. jedenfalls danke danke für die vielen so hübsch verpackten Informationen und die sich von Mal zu Mal aufs neue toppen.

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  3. ... also den Bildern nach, muss ich jetzt nicht unbedingt nach China. die vielen Wolkenkratzer und dazwischen nur ein wenig grün. Ne, das ist nichts für mich. Aber das ist ansichtssache. Jedem so wie es ihm gefällt.

    Liebe grüße Jutta

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  4. @Jutta: Naja, also die Bilder zeigen einen kleinen Teil von Hong Kong. Ähnlichkeiten mit Peking, Shanghai oder Shenzhen sind vorstellbar; solche mit dem restlichen China aber eher wenige. Übrigens fällt mir auf, dass Du in letzter Zeit fast jedes Posting mit "Ansichtssache...jedem so wie es ihm gefällt" abschließt. Hast Du irgendeinen Diplomatie- oder Beziehungs-Seminar besucht, wo sie Dir das so beigebracht haben ;-)?

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