Mittwoch, 13. Juli 2011

Liebeserklärung an Tokio

Ein letztes Abschiedsfoto aus dem Grand Canyon...

Inzwischen sind wir in Hong Kong angekommen. Hier verbringen Doreen und ich zwei Wochen, wir wollen etwas Ruhe in unser Reiseleben bringen. Denn die vergangenen Tage waren so ereignisreich wie das Liebesleben von Charlie Harper aus "Two and a half Men". Wir haben in den USA in kurzer Folge viele wunderschöne Orte und Landschaften besuchen dürfen: Grand Canyon, Mojave Wüste, Monument Valley,  wo jeder zweite Western gedreht wird. Danach Rückkehr für drei Tage ins gewaltige Märchenschloss-Hotel "Excalibur" nach "fabulous" Las Vegas, wo Doreen und ich unser Zweijähriges gefeiert haben. Die Tage seit dem letzten Blogeintrag sind buchstäblich verflogen, die USA kommen mir heute wie eine weit entfernte Reise-Etappe vor. Sorry, dass es keinen weiteren Text dazu gibt, und mehr Bilder erst beim Dia-Abend nach unserer Rückkehr. Die Zeit war einfach zu knapp. Denn zwischen USA und Hong Kong haben wir fünf der vielleicht ruhelosesten und eindrucksvollsten Tage unserer bisherigen Weltreise verbracht. In Tokio.  

Am 30. Juni sind wir an Bord einer Boeing 777 der JAL nach Japan entschwebt, genauer gesagt nach Tokio-Narita. Nebenbei bemerkt einer der angenehmsten Langstreckenflüge, den man sich als Holzklasse-Aktivist wünschen kann. In einer brandneuen Maschine kriegt man lokal koloriertes Bordessen serviert, und vertreibt sich die Zeit mit Tetris gegeneinander, oder zwei Dutzend Filmen-auf-Abruf. Dass uns die Stewardessen mit offenen Augen und einem herzerwärmenden Lächeln jeden Wunsch erfüllen mochten, das habe ich während des Fluges leider gar nicht so richtig wahrgenommen. Ich war etwas zu sehr mit dem Abbau von Ängsten befasst. 
Immerhin ist Tokio mein erster ernstzunehmnder Aufenthalt in Asien. Jedenfalls sofern ich ein bis zwei berufliche, von A bis Z rundum betreute Kurztrips ohne Kontakt mit der Außenwelt außer acht lasse. Ich hatte enormen Respekt vor all dem Fremden in Asien. Der Sprache, den Schriftzeichen, der Kultur, den Menschen. Ich dachte, ich würde mich zwischen all den kauderwelschenden Leuten niemals zurechtfinden. Für einen sicherheitlich und planerisch denkenden Meschen wie mich eine beunruhigende Vorstellung. Dazu kommt, dass du fragen kannst wen du magst - jeder erzählt dir, Tokio sei unfassbar teuer. Mehr als genug Gründe also, warum wir Japans Hauptstadt während unserer ersten Weltreise-Planungen erst gar nicht auf der Route hatten. Letztendlich hat dann aber doch die Neugier gesiegt. Außerdem die Einsicht, dass sich unsere Reise nur dann intensiv und erfüllend anfühlen kann, wenn wir Neues wagen.

Meine wundervolle Doreen.
Steht Tokio ihr nicht super?
Mann, bin ich dankbar, dass wir uns zumindest zu einem Fünf-Tage-Zwischenstopp in Japan entschließen konnten. Tokio ist überwältigend. Ganz anders als alle anderen Städte, die wir bisher besuchen durften. Schön. Warm. Freundlich. Und gar nicht allzu teuer, sondern halbwegs leistbar: Unterkunft, Nahverkehr und Essen zusammen genommen, bewegt sich alles etwa auf Münchner Niveau. Und egal was du tust, es ist einfacher zu bewältigen, als du es dir vorher ausmalst. Ich glaube, ich habe mich noch in keinem Land so willkommen gefühlt wie in Japan. Die Menschen an der Grenzkontrolle geben dir das Gefühl, dass sie dich gerne als Gast begrüßen. Als sich bei der Passkontrolle eine kurze Warteschlange bildet, eilt sofort ein Grenzer herbei; schaut mir freundlich in die Augen; bittet mich zu einem neu geöffneten Schalter; und winkt mich nach kurzer Betrachtung der Papiere durch. Im Empfangsbereich des Flughafens sind alle wichtigen Wegweiser englisch beschriftet. Zurechtfinden ist keine Hexerei. 


Seltsam aber wahr: Japan-Flaggen
sind in Tokio eine Seltenheit...
Ich erinnere mich an den Rat meiner japanerfahrenen Ex-Kollegin Sabine, für den Fall dass ich die Hiragana / Katakama-Schriftzeichen an Fahrkarten-Automaten und / oder Straßenschildern nicht entziffern könne: "Einfach stehen bleiben und ratlos in die Gegend schauen. Kommen bestimmt gleich zehn Japaner angerannt und wollen dir helfen", hat sie mir vor einiger Zeit gesteckt. Funktioniert wirklich. Guck ein bisschen verwirrt aus der Wäsche, schon sprechen dich viele Menschen auf englisch an, oder sind zumindest um gegenseitiges Verstehen bemüht. Ich mach´s kurz:  Noch niemals, in keiner Stadt während unserer Weltreise, auch nicht zuhause, habe ich so viel Hilfsbereitschaft erfahren wie in Tokio. Und so kommt es, dass wir im Nu aus dem Flieger raus und per "Narita Express 44" auf dem Weg vom Flughafen in unserer Bleibe waren. Bereits diese rund anderthalb Stunden dauernde Fahrt hat mich berührt. Während dich die Flughafen-Zubringer woanders - Paris zum Beispiel - nur allzu gerne mit den schlimmsten Vororten und Slums konfrontieren, siehst du hier genug vom Land und Architektur, dass dir das Herz aufgeht. Auf kleinen Häuschen thronen geschwungenen Ziegeldächer mit aufwändig verzierten Giebeln, und dir wird klar: du bist wirklich ganz woanders.  


Unten und links Bilder aus
Ikebukuro, oben unser Zimmer
im Kimi Ryokan. Rundgang? Video!
Große Freude bei Doreen, weil
Monchichis in Tokio so weit
verbreitet sind.  
Laut Wikipedia ist Tokio keine zentral verwaltete Metropole mit Kern und Stadtteilen, so wie ich es von deutschen Städten kenne. Es handelt sich eher um einen Großraum, der sich aus selbständigen Verwaltungs-Bezirken zusammen setzt. Das mag ein Grund dafür sein, weshalb Shibuya und die anderen Viertel jedes für sich einen ziemlich eigenen Charakter ausstrahlen. Ikebukuro zum Beispiel, wo wir unsere Unterkunft reserviert haben, lernen wir als quirlige Ausgeh-Gegend kennen, mit Einkaufszentren und Shoppingmeilen und McDonalds und Restaurants und allem, was in so einer Ecke zu erwarten wäre. Aber es gibt auch ruhigere Seitenstraßen, wo die Menschen leben. Dort  finden wir das "Kimi Ryokan", unsere Bleibe. Das Wort Ryokan bezeichnet im Japanischen eine Herberge im traditionellen Stil. Also Schuhe ausziehen im Eingangsbereich, schließlich soll niemand den schönen Holzboden beschmutzen. Kompakte Schlafkammern, einladender Gemeinschaftsraum, ein Bad für die Etage. Kein Luxus, dafür authentisch, sauber, freundlich und für Tokioter Verhältnisse sehr bezahlbar. Danke nochmal, Sabine, für den guten Tipp. Wir hätten uns keine bessere Ausgangsbasis für unsere kleinen Ausflüge in das Tokioter Leben wünschen können. 

Ein Frühstück in
 Tokio, siehe auch Video
Verspielte Japaner: Jede Toilette
hat mehr Tasten als mein Autoradio.
Schon das Frühstück am nächsten Morgen gestaltet sich als kleines Abenteuer. Wir müssen ja ein bisschen mit dem Geld haushalten, da reicht das Bare eben nur für die Suppenküchen in der Umgebung. Eine davon zieht uns zu sich rein, erstens weil ums Eck und zweitens weil Bildchen auf der Menükarte einen Eindruck vom Speisen-Angebot vermitteln. Wir trauen uns also ins Innere; und sehen ein halbes Dutzend Hiesige mit Essschale und Stäbchen an der Theke sitzen. Doreen und ich, wir gesellen uns dazu; und kriegen sofort einen grünen Tee, und binnen Minuten was leckeres zu Essen serviert. Doreen Nudeln für 300 Yen, rund drei Euro. Ich einen dampfenden Eintopf im Keramiktöpfchen für 380 Yen, weniger als vier Euro. Meinen unverzichtbaren Morgenkaffee kriege ich hier nicht, aber in den allgegenwärtigen Cafés für 150 bis 250 Yen. Sag noch mal einer, Tokio wäre unbezahlbar teuer. Stimmt nicht. 

Was Tokio fehlt, ist eine imposante Skyline. Klar ziehen ein paar in den Himmel ragende Wolkenkratzer Aufmerksamkeit auf sich, vor allem im Banken- und Regierungsviertel Shinjuku. Beispielsweise genießen wir vom 43. Stockwerk des "Metropolitan Government Building" - Verwaltungsgebäude -  die kostenlose Weitsicht über den Großraum Tokio. Gute Anlaufstelle übrigens auch für Karten, Touren und Kontakte in der Infozentrale im ersten Stock. Und unweit des Sumida-Fluss sehen wir den "Sky Tree" heranwachsen: Der Turm soll nach Fertigstellung im Jahr 2012 mit über 600 Metern Höhe die meisten Bauwerke in aller Welt überragen. Im Großen und Ganzen bleiben die Architekten aber am Boden und türmen weniger hoch als in anderen Millionenstädten, die Doreen und ich während unsere Reise bisher kennen lernen durften. Vermutlich aus Angst vor dem "großen Erdbeben", das schon seit vielen Jahrzehnten vorhergesagt wird. So bleibt zwischen den Häusern mehr Entfaltungsraum für Plätze, Gärten und ruhige Momente. 

Die Hamarikyu-Gärten: klick für Video!
 Blick vom 43. Stockwerk des
"Metropolitan Government Building",
Tower Nummer Zwei.
Während unserer fünf Tage in Tokio lernen Doreen und ich viele Orte der Stille und des Friedens kennen. Den ersten gleich nach unserer Ankunft, als wir mit Hilfe einer kurzen geführten Bustour näheren Kontakt zur Stadt aufnehmen. Ein Halt bringt uns mit den Hamarikyu-Gärten zusammen: eine idyllische Anlage in Hafennähe, mit kleinen Seen und geschwungenen Holzbrücken, gepflegten Bäumen und üppigen Wiesen, einem kleinen Teehaus und einladenden Ausruh-Möglichkeiten. Jeder Kiesel wirkt wie von Hand gesetzt, jeder Baum scheint seinen persönlichen Pfleger zu haben, so einen wohlgewachsen Eindruck machen Bäume und Blätter. Ein wunderbarer Spaziergang. Als wir am Abend nach Ikebukuro zurück kehren, weicht die Ruhe einem zunehmenden Menschengewühl, das aber nie so erdrückend wirkt wie auf dem Oktoberfest. Denn statt rücksichtslos rempelnd, erleben wir die Tokioter als Menschen voller Respekt und Rücksichtnahme - und einer interessanten Vorliebe für Sex-Comics. Aber das ist ein anderes Thema. Mehr darüber in Kürze im Blog "Tokio und der Schweinkram".  

Ja mata ne, bis bald, 
Richard 



3 Kommentare:

  1. Hallo ihr beiden,

    Schön wieder von euch zu hören. hab jeden Tag gehofft, das ihr endlich wieder mal was schreibt. Und heute endlich.
    hab mir grad eure videos von Tokio angesehen.Waren wieder mal super toll. Die Aufführung die ihr da gesehen habt nennt man übrigens Rope Skipping. Falls ihr das noch nicht wisst.

    Freu mich schon auf den nächsten Blog.

    Liebe Grüße Jutta

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  2. Ich kann mich Jutta nur anschließen. Hab auch all Eure Videos angeschaut und find sie klasse!
    Es ist wirklich eine Freude, dass Ihr das nun über YT macht.

    Richy, Deine Bedenken mit Asien kann ich nachvollziehen; die Schriftzeichen, die andere Sprache, das andere Essen, andere Gepflogenheiten etc.
    Bzgl. Freundlichkeit usw. hab ich aber auch nichts anderes erwartet. Toll!

    Der Blog-Post liest sich super und man kann direkt Eure Begeisterung in den Zeilen lesen!

    DANKE für diesen ausführlichen Bericht und Doreen's Hostel-Video! :-)
    <3

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  3. Wir sind auch grade in Tokyo.
    Aber ich konnte leider noch keine Monchichis finden.
    Wo habt ihr die gesehen?

    mit besten Grüßen
    Bock-Spiele.de

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