Sonntag, 5. Juni 2011

Ein ganz normaler Tag



Als Richy und ich uns vor gut einem Jahr und
einem Monat entschlossen haben auf diese
Reise zu gehen, habe ich mir das Paradies
vorgestellt. Ewig ausschlafen, das morgendliche
Waschritual erledigen wann ich will, sich einfach
nicht nach der Zeit richten zu müssen.

Nun, ein Jahr und einen Monat später weiß ich´s
besser. Mein lieber ehemaliger Kollege Günther
schrieb letztens einen Satz, der den Nagel auf
den Kopf trifft: "Diese großen Erlebnisse sind
oft nur mit viel Mühe und Ausdauer zu erreichen
- wie bequem ist es dagegen in die Allianz
zum Arbeiten zu fahren.". 

Ich glaube Günther wusste in dem Moment des
Schreibens gar nicht wie verflixt recht er damit
hat. Die Weltreise fordert an den meisten Tagen
Die "Tour durch den Baum".
Durch einen Redwood-Baum.
Die höchste Baum-Art, die
es gibt. 
viel mehr Disziplin, Konzentration, Kraft,
Beherrschung und Durchhaltevermögen von mir,
als es mein Arbeitsleben je getan hat.
Auch Richys stressiger Redaktions-Job erlaubte
ihm zumindest ab und zu ein Wochende. 

Ein Tag im Leben von uns zwei USA-Reisenden
(7 Tage die Woche): 

   08:00 Uhr 

Der Wecker bimmelt. Jetzt schon???

   08:30 Uhr

Wir schälen uns aus dem Bett, um pünktlich
zum Frühstück zu kommen. Die immergleiche
Marmelade, und der altbekannte "Cream
Cheese" werden meist nur bis 9 Uhr
aufgetischt.

   09:30 Uhr

Frühstück beendet, die morgendliche 
Bad-Session ruft.

   10:15 Uhr
Von Schusslöchern durchsiebt.
Das Jagen gehört in den
ländlicheren Gebieten auf dem
Highway 1 zu den größtem
Hobbies.

Langsam Beeilung, wir wollen heute
wieder "on the road" und um 11 Uhr ist
Checkout. Wir brauchen trotz der wenigen
Habseligkeiten unsere 30 - 45 Minuten 
fürs zusammen packen.
  
   11:00 Uhr


Wir checken, wie immer, auf den letzten
Drücker aus.  

   11:02 Uhr


Und da sind wir wieder, in unserem Autochen
auf dem Highway Number One in Richtung
Ein riesiger Redwood und
ein kleiner Richy.
Seht ihr ihn???
Süden. Mit der Karte auf dem Schoss, plane
ich nebenbei die Route für die nächsten
Tage und durchsuche den Reiseführer nach
interessanten Zielen. Trotzdem habe ich
den Kopf frei, um die unfassbare Land-
schaft zu erleben. Wir genießen jeden
Zwischenstopp; sei es um einen
Leuchtturm zu betrachten, oder Richy
mit einem Cappuccino glücklich zu
machen. 

   14:30 Uhr


Der kleine Hunger klopft an. Nachdem mein
Magen sich vom pünktlichen Mittagessen um
halb eins entwöhnt hat, grummelt er nun immer
um diese Uhrzeit. Wir machen also eine Mini-
Pause. Essen eine Banane und düsen weiter. 

   17:30Uhr
Gruß an alle Mädels, die den Film
"Die Brücken am Fluss" auch so
lieben, wie ich. In Oregon gabs
ne ganze Menge davon. Natürlich
ein Muss für mich sie zu besuchen.

Wir beschließen ein Dach für die heutige
Nacht zu finden. Ganz selten reservieren
wir uns vorher was Hübsches.

   18:30 Uhr


Ui, endlich eine Stadt mit mehreren Unter-
kunfts-Angeboten. An solchen Orten sind
wegen des Wettbewerbs meist die Preise
niedriger und da freuen wir Budget-
Urlauber uns drüber. 

   19:30 Uhr


Nach drei angesehenen Zimmern haben
wir endlich eins gefunden, das nicht
müffelt und sich der Dreck nicht in den
Ecken stapelt. Willkommen daheim. 

   20:30 Uhr
Nochmal von vorne.


Abendessen mit unserem wiederverwend-
baren Plastikgeschirr und Lebensmitteln 
aus unserer kleinen Kühltasche auf dem
Motelbett. Tisch und Stühle finden wir 
selten in den den Zimmern. Kühlschrank
und Eiswürfelmaschine zählen dagegen
zur Grundausstattung.


   21:30 Uhr


Abendessen beendet. Nun gehts entweder
ans Wäschewaschen, kniffeln, fernseh-
schauen oder wir legen uns "nur mal kurz"
auf Bett.

   22:00 Uhr


War klar, das Sandmännchen findet uns
auch in den USA und katapultiert uns direkt
Wenn Du ein Tal am
Pazifik befährst, findest Du
diese Schilder. Die
Einwohner schockt das
nicht,sie bauen trotzdem
ihre Häuser direkt
 an den Rand der Klippe.
Falls ein Tsunami kommt,
können sie sich definitiv
ein neues Heim suchen.
aus dem "kurz mal hinlegen" ins Traum-
zauberland. Die Wäsche? Kann bis morgen
warten. 



An solchen Tagen wie hier auf dem Highway 1
sehen wir so unglaublich geile Natur.
Überraschende Natur, die ich glaubte in
meinem Leben niemals zu sehen. Du
fährst einen stink normalen Hügel rauf und
schaust im nächsten Moment frontal von oben
auf den offenen unberührten Pazifik. Wahnsinn! 

Aber gerade wegen solcher Erlebnisse spüren
wir unsere ansteigende Unzufriedenheit.
Ich merke, dass ich in den fünf Monaten, die
wir jetzt reisen, so viel gesehen und erlebt
habe, dass ich viele Dinge nicht mehr so
wahrnehmen kann wie sie es verdient 
hätten. Richy realisiert langsam (ich war
da schneller), dass sein Gedächtnis mit
unserer fortschreitenden Reise nachlässt, 
auch ein Zeichen von Überanstrengung.

Ich habe mal etwas von einem Travel-
Burnout gelesen. Ein Gefühl des
abstumpfens. Du blickst auf die
faszinierende Golden Gate Bridge,
Wenn Du nicht liegen
bleiben möchest musst
Du jede übeteuerte
Tankstelle auf dem
Highway Number One
nutzen. 
tuckerst mit dem Schiff an der riesigen
Freiheitsstatue vorbei, gewinnst Geld im
glitzernden Las Vegas und spürst nix.
Gar nix. Nur Leere und Gleichgültigkeit. 
An manchen Tagen fühle ich mich auch
so. 

ABER wir lernen täglich dazu. Gönnen
uns gerade wieder mal zwei Tage Nix-tun,
damit sich das Gefühl nicht einnistet.
Leider juckt es mich aber schon wieder
einen Tag davon zu opfern, um in einem
Outlet-Paradies hier in der San Francisco-
Gegend einen Schaufensterbummel zu
machen. 

Nein, ich fahre nicht! Oder doch? 


Allerliebste Grüßle
Eure Doreen




5 Kommentare:

  1. Genau wie Du zu Beginn geschrieben hast, Doreen, hab ich mir Euren "Alltag" vorgestellt. Bis in die Puppen schlafen, schön durch die Gegend düsen...
    Deswegen finde ich es sehr interessant und ehrlich, dass Ihr auch vom richtigen Weltreise-Leben schreibt und dass Ihr über alle Aufgaben und Hürden, die es zu meistern gibt, berichtet.
    UND ich finde es gut, dass Ihr beide z. B. mit "nix tun" ein wenig Ruhe und Abwechslung in das rasante Leben bringt.
    Ihr beide seid toll!
    <3

    P. S.: Oh, wenn ich nur "Outlet-Paradie"s lese, kann ich mir vorstellen, wie's Dir geht. ;-)

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  2. Hi Sabinchen, schön, dass Du wieder was von Dir hören lässt. *freu freu freu*

    Ja, so kann man sich täuschen. Ich hätte den Alltag wirklich nie so erwartet wie er ist, aber natürlich ist das nur eine Seite der Medaille. Haben ja auch wunderschöne Tage. Aber ich wollte das gerne mal loswerden...

    Ich fahre übrigens gleich los in die Outlet-Mall. Wenn ich schon mal Zeit dafür habe UND sowas ist ja auch entspannend ;o)

    Bussi und Liebste Grüßle
    Doreen

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  3. Hallo ihr beiden,

    Der Tagesablauf von Euch ist ganz sczhön durch geplant. Aber jeden Tag wird es wohl nicht so ausschauen. Ihr gönnt euch ja auch ab und zu mal ein bischen Ruhe. Und das muss auch so sein.

    Wie du schon geschrieben hast, Doreeen, ich hätte den Einkaufsbummel auch gemacht. Da kann man sich auch prima erholen. :-)))

    Liebe Grüße Jutta

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  4. Habt ihr schon Sehnsucht nach dem "normalen" Alltag? :)

    Wie groß war dieser Monster Baum hinterm Richy?

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  5. Hi Ingo! Ja, also beinahe wäre ich den Baum für Dich hochgeklettert und hätte ein Massband abgerollt - aber dann hab ich meine sieben Sinne doch wieder beinander bekommen und hab´s gelassen. Also, der größte Redwood, den wir gesehen haben - und dessen Größe per Schild ausgewiesen war - hatte eine höhe von 91 Metern. Wir sind ein Stück durch Redwoods gefahren, wo wirklich nichts stand außer diesen Dingern. Nichtmal Büsche. Das ist echt gewaltig; wirkt ein bisschen wie die Wald-auf-Endor-Szenen im (echten) Star Wars. Sehr, sehr beeindruckend.

    Und ja, ich habe schon oft Sehnsucht nach "normalem" Alltag. Ich würde zum Beispiel irre gerne an Twinki Run Run weiter entwickeln, komme aber überhaupt nicht dazu. Dazu müsste ich wirklich mal einige Tage am Stück an einem uninteressanten Ort verbringen, der mich nicht ablenkt, damit ich die Konzentration zusammen bekomme. Keine Chance dafür in den USA. Hab mich schon damit abgefunden, dass das Spiel erst 2012 fertig wird.

    @Schwesterlein: doch, die meisten Tage sind mehr oder weniger schon ziemlich verplant. Geht leider nicht anders. Denn wir alles spontan machn würden, wäre unsere Reise sehr viel teurer und/oder um einige Ziele ärmer. Momentan suche ich beispielsweise nach einer Bleibe in Hongkong für Juli. Glaubs oder glaubs nicht, aber die preiswerten und zugleich brauchbaren Unterkünfte um ca. 40 bis 60 Euro pro Nacht sind fast alle schon weg. Wenn wir erst bei Ankunft am 5. Juli suchen würden, müssten wir mindestens 150 bis 200 Euro pro Nacht rechnen.

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