Montag, 14. März 2011

Argentiniens schönste Seite



Argentinier feiern ihre Volkshelden.
Dieses Denkmal ist Martin
Miguel Güemes
gewidmet, der gegen Spanien
 um Argentiniens
Unabhängigkeit gekämpft
 hat. 
Die Straßen von Salta.
Sehr viel gepflegter als zum
Beispiel die von Buenos Aires.
Eigentlich hatten wir ganz andere Pläne. Eigentlich wollten wir in Paraguay abhängen; für eine Woche durchpusten und Kraft schöpfen für die letzten vier, wahrscheinlich recht anstrengenden Wochen in Südamerika. Nun hat sich unsere Bleibe dort aber als Vollflop erwiesen. Und auch sonst hatten wir in Paraguay ein bisschen Pech - siehe Doreens Blogeintrag. Soweit es mich betrifft, hatte ich auch einfach keine Lust mehr auf schäbige Unterkünfte und dreckige Straßen. Und so haben wir eine kurzfristige Routenänderung beschlossen. Statt über Paraguay nach Bolivien zu reisen, sind wir wieder zurück nach Argentinien. Salta sollte das Ziel sein. Wir hatten vorher ein bis vier Reisende getroffen, die mit glänzenden Augen von dieser Stadt im Norden Argentinien erzählt hatten. Na, mal sehen. 

Die hier hat mir Doreen
geschenkt. Wer kennt ihren Namen?
Für die Busfahrt hierher hatten wir ein bisschen Deluxe beim Betreiber Rio Urugay gebucht. Zwar keinerlei Ess- und Trinkservice an Bord, also keinesfalls ein Vergleich mit den Schampusfahrten mit Crucero del Norte; aber immerhin Cama Coche, sprich breite Leder-Schlafsessel zum schlummern. Nur hat unser Nachtbus an so ziemlich jedem Kaktus entlang der Strecke Leute aus- und wieder eingeladen; ist über Rüttelpisten geholpert; und um Kurven geschlittert, so dass an Schlummer oder gar Schlaf kaum zu denken war. So betrachtet ist´s gar nicht mehr so dramatisch, dass bei zwei von insgesamt vier verfügbaren Schlafplätzen die Rückenlehne nicht in Schlafstellung verharren wollte, und die ganze Konstruktion letztlich also doch nur als gewöhnlicher Sitzplatz funktioniert hat. Richtig geraten, mein Platz war auch kaputt. 


Von oben gibt´s einen schönen Blick
über die recht kompakte Stadt. 

Diese Seilbahn made
in Schweiz - der Teleferico -
beamt uns auf Saltas Hausberg,
den Cerro San Bernardo

Salta jedenfalls hat uns frühmorgens eindrucksvoll begrüßt. Du kommst quasi durch ein paar Ausläufer der Anden gefahren und siehst die Siedlung unten im Tal liegen, wie sie den Morgentau abschüttelt. Wunderschön. Was du bei der Anfahrt nicht siehst, und auch bei näherer Betrachtung nur ganz selten: Schutt, Baracken und all das andere, was uns bisher noch in fast jeder Stadt hier in Südamerika ein bisschen die Lust genommen hat. Salta kommt ganz anders rüber als andere Städte in Chile, Argentinien oder Paraguay. Hier wirkt alles sehr viel gepflegter und sauberer, und daher für verwöhnte Mitteleuropäer wie Doreen und mich automatisch einladender. 

Wir haben nur wenige
Kirchen in Argentinien
besucht. Und haben hier in Salta
mit Abstand die Schönsten
gesehen.
Kurzer Einschub mit Erläuterung: Südamerikaner neigen dazu  - und das sagen sie selbst! - das sie schöne Dinge weben; bauen; zimmern. Aber damit hat es sich dann halt. Einmal gemacht, wird´s danach kaum noch angefasst, gepflegt und in Stand gehalten. Das hängt bestimmt damit zusammen, dass du bei Tag wegen der extremen Temperaturen kaum arbeiten kannst. Aber es hat auch mit den Wahlen zu tun, bzw. wann wem welche Gelder zur Verfügung gestellt werden. So mancher Gobernador veranlasst große Bauten oder aufwändige Renovierungen in seinem Wahlbezirk nämlich mit Vorliebe dann, wenn er Wähler bei Laune halten möchte. In Südamerika kursiert das geflügelte Wort vom "politischen Asphalt". Soll heißen: kaputte Straßen werden vor Wahlen mit einer sehr dünnen Schicht Asphalt repariert. Das ist billig, hält aber nur ein paar Wochen. Eben solange, bis die Wahlen vorüber sind. Danach zerbröselt die frischgebackene Straße sehr schnell wieder unter der Last der vielen Busse und Hunderttonner. Und so wirken in Südamerika selbst die schönsten Bauten nach ein bis zwei Jahren schonmal mitgenommen. Häufige Sandstürme, Regenfälle und die oft sehr verpestete Luft in den Städten spielen dem Verfall in die Hand.

Kleine Argentinier stehen
auf dasselbe wie kleine
Deutsche: Naschzeug.
Der hier wartet im Zentrum,
am Plaza 9. Julio
- argentinischer Unabhängigkeitstag -
 auf sein Popcorn. 
In Salta dagegen läuft das irgendwie anders. Hier kannst die ältesten Gebäude finden, die es in Südamerika gibt. Wundervolle Kirchen, herrliche Klöster aus dem 16. Jahrhundert, also kurz nach der Entdeckung Amerikas entstanden. Die Bauten wirken sicherlich alt, aber werden nicht lieblos dem Zerfall überlassen. Die rund 300.000 Einwohner von Salta scheinen über irgendein Instandhaltungs-Gen zu verfügen, das zum Beispiel den Portenos fehlt. Sieht man auch in unserem Hostel Salta por Siempre. Irres Glück. Für 140 Pesos, also knapp 25 Euro, haben wir ein Zimmer ohne Wandschimmel, ohne Muffaroma, dafür mit netten Menschen, sauberem Bad und einer benutzenswerten Bettwäsche. Endlich mal nicht per Schlafsack Abstand halten zu den Flecken im Bettzeug. Ach ja: keinerlei Insekten! Selbst der landesübliche Hostelhund -  ein wirklich netter Schäfermischling - kläfft nicht, sondern bleibt brav in seiner Hütte, oder trottet unauffällig durch den wunderschönen kleinen Hofgarten mit vier Sonnenschirmen, drei Esstischen und zwei Liegestühlen. Geweckt werden wir von einem krähenden Hahn statt von heulenden Motoren. Und das nur vier Blocks vom Zentrum entfernt. Doch, hier lässt es sich leben. 

Ein ganz normaler Sonntag in
Argentinien: die einen waschen
ihr Auto...
...die anderen feiern den Sieg
ihres Lieblings-Fußball-
Clubs mit wehenden Fahnen.
Darum bleiben wir hier einige Tage länger. Vielleicht bis Ende der Woche, vielleicht länger, mal sehen. Bisschen lesen, Musik hören, plaudern, bummeln, die Aussicht vom Stadtberg Cerro San Bernardo genießen. Irgendwann werden wir mal eine längere Tour von ein bis drei Tagen machen, Richtung Salzwüste weiter oben im Norden. Es heißt, dort stieße man auf bizarre Landschaften und interessante Menschen. Bis dahin mache ich einen Gitarrenkurs bei einem alten Gaucho (Klick für Video) um die Ecke. Er spricht nur spanisch, ich fast gar nicht. Und trotzdem funktioniert das irgendwie. Ich kriege jeden Tag zwei Stunden argentinische Weisen beigebracht. "Luna Tucumana" (und nochmal Klick für Video) kann ich jetzt immerhin schonmal halbwegs singen und mit drei Akkorden begleiten. Wenn ich nach München zurückkehre, klappts bestimmt auch mit dem schnellen Umgreifen auf den F-Mejor-Akkord im Refrain. ;-) 
Gruß aus Salta, 
Richard 

PS: Haben die Deftones ein neues Album rausgebracht?



7 Kommentare:

  1. Na dann will ich aber ein kleines Gitarrenstück von dir hören, wenn du wieder da bist. Das ist doch wohl klar.

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  2. wie man sieht seit ihr wieder fit. Freut mich für euch. Schön das ihr doch noch mal ein Stück zurück gefahren seid. Das Leben schenkt einem halt nichts.
    (Der voherige Kommentar war im übrigen auch von mir)

    Liebee Grüße jutta

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  3. diese Tage fragen mich alle, die von eurer Weltreise wissen, voller Sorge ob ihr momentan etwa in Japan seid..

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  4. Japan steht erst im Juli auf der Reiseroute. So schlimm die Katastrophenmeldungen sind - Japan hat sowas schon einige Male durchgemacht und immer überlebt. Abgesehen davon liegen praktisch alle unsere Reiseziele auf Erdbebengebiet. Rund um Salta zum Beispiel sind fast alle Städte schonmal Opfer eines Bebens gewesen...

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  5. Man, wir wir Euch beneiden. :-) Wir haben vorgestern Eure Postkarte erhalten und ich muß dir zustimmen, auch mir fehlen die Telefonate und unsere Absackerrunden. ;-) Aber wir wissen ja Beide; 1 Jahr geht schnell vorbei. ;-)
    Wir haben heute unseren Frühjahrsputz erledigt und geniessen die Sonnenstrahlen auf dem Balkon.
    Euch noch eine gute Weiterreise, bleibt gesund und schreibt bitte fleissig weiter. Es gibt einem das Gefühl, dass ihr nicht ganz so weit weg seid. Also, liebe Grüße auch von Ulrike an Euch beide ... saludo ;-)

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  6. Hey Alex! Das freut mich ja, dass Du schreibst - und dass Du über unseren Blog unsere Reise ein bisschen mitbekommst! Sitze hier gerade in Salta auf dem Bett, während Doreen ein bisschen putzt und wäscht und was Frauen eben so machen ;-). Nennt sich hier aber Herbstputz... wird nämlich langsam kalt hier in der Gegend, weißt Du? Jetzt machen wir gleich Futter. Nudeln mit Soße, Backpackers Liebling ;-). Wünsch Dir was, und schreib irgendwann mal wieder! Vielleicht Ende April, so um den 20. rum...? ;-) Ich find den Gedanken schön, dass Du und Ulrike über den Blog ein bisschen Kontakt haltet...

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  7. Ja, die Schweizer Gondeln stehen bzw. hängen überall - happy journeys weiterhin!

    Gruss aus Gondel-Land,
    Cousin Oliver

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