Mittwoch, 2. November 2011

Mein schönstes Asien-Erlebnis...Teil 1 von 2



Wir sind auf dem Weg nach Neuseeland. Ich spüre ein bisschen Wehmut in mir, weil ich Abschied von Asien nehmen muss. Vier Monate haben Richard und ich hier verbracht, und was haben wir alles erlebt! Am stärksten eingeprägt bleiben mir die Tage, die ich in der Schule in Laos verbracht habe. 


Eigentlich war alles nur Zufall. Mitte August habe ich zum ersten Mal den Wunsch verspürt einen Englischkurs zu besuchen. Sieben Monate unserer Reise waren vergangen und ich war mit meinen Englischkünsten überhaupt nicht glücklich. In Chiang Mai greife ich es an und begebe mich via Internet auf die Suche. Während sich Richy beim Malkurs verlustiert, bleibe ich auf der Seite vom Mekong Englisch Centre (MEC) in Luang Prabang hängen. Eine private Englischschule für junge Laoten. Ich stoße per Zufall auf die Rubik "Volunteering", lese einige Minuten intensiv den englischen Text von Claus aus Westphalen durch und merke wie mein Puls nach oben schnellt. So fühlt es sich immer an, wenn ich auf etwas durch und durch für mich Bestimmtes stoße. Sei es Arbeit, Kleidung, Richy oder auch unsere Weltreise. Voller Feuer schreibe ich Claus gleich an. Ob ich spontan die nächsten zwei Wochen bei ihm an der Schule mithelfen könne, möchte ich wissen. Warum nicht das Englischlernen mit gemeinnütziger Arbeit verbinden? Die Antwort kommt prompt. Claus freut sich auf meine Hilfe und begrüßt mich gerne am 4. Oktober 2011 an seiner Schule.

Auf unserer 2,5-tägigen Mekong-Fahrt vom entspannten Chiang Mai nach Luang Prabang wird mir bewusst, dass ich mich in zwei Tagen das erste Mal in ein komplett englischsprachiges Umfeld stürze. Uuuuuah. Vor Nervosität ist mir zeitweise richtig schlecht.

Als ich am Montag gegen 14:30 Uhr das MEC-Gelände betrete, kommt mir ein Mann entgegen. Es ist Claus. Er wartet bereits mit Sansany, einer ganz lieben Laotin, die die Volontäre des MECs unter ihre Fittiche nehmen soll. Es ist auch ihr erster Tag. Claus erzählt mir eine Zeit lang von sich und Sansany. Er ist voller Stolz, dass Sansany im Jahr 2005 als Schülerin bei ihm begann und nun so gut Englisch spricht, dass er sie für die Arbeit mit den Volontären gewinnen wollte. Ich bin ihr erstes "Test-Rabbit" wie er mir erzählt, alles natürlich auf Englisch - Sansany würde sonst nichts verstehen. Weiter teilt er mir mit, wie wichtig es für mich als Frau ist, darauf zu achten keinen von den Mönchen im Unterricht zu berühren. Denn das ist ihnen strengstens verboten. Aus diesem Grund sollte auch meine Kleidung respektvoll ausfallen. Das heißt für mich: alle schulter- und kniefreien Teile werden für zwei Wochen ganz unten in den Rucksack gestopft. Richy muss mir mit ein paar T-shirts aushelfen, weil ich einfach zu wenig angemessene Stücke dabei habe. Als letztes macht er mich darauf aufmerksam, dass mir das Gesetz verbietet mit einem der attraktiven - wie er sie beschreibt - laotischen Lehrer anzubandeln. "Ich weiß, Du hast einen Freund, trotzdem bin ich verpflichtet Dir das zu sagen.", druckst er etwas peinlich berührt herum. Sie haben diesen Fall schon gehabt, auch dass Volontäre sich mit Schülern einlassen. Ihm würde die Schule auf jeden Fall geschlossen werden, wenn das noch einmal vorkäme, genauso, wenn ich im Unterricht über kapitalistische Grundsätze referiere. Auch wenn es so aussieht ist Laos kein freies Land. Es herrscht außerhalb von den Touristenregionen ein streng sozialistisches System. Durch meine "Heimat" Ost-Berlin verstehe ich ihn bestens und nicke zustimmend. 
Neue Vokabeln mit laotischen Übersetzungen.

Danach ist es soweit. Ich werde für vier Klassen eingeteilt.Von 16:30 bis 18:30 bei Touy und von 18:30 bis 20:30 Uhr werde ich Ya unterstützen. Beide stammen aus Laos und sind ausgebildete Englischlehrer. Als mich Claus zu meiner ersten Wirkungsstätte bringt bin ich erstmal richtig baff. Touy spricht ein sau gutes Englisch. Ohne asiatischen Akzent, der mich so oft schon zur Verzweiflung gebracht hat, weil so unverständlich für uns Europäer. Nein, Touy spricht bestes Oxford-Englisch. Ich setze mich mit an seinen Tisch. Anders als in Deutschland oder in öffentlichen laotischen Schulen, sitzt Touy in der Mitte des Raumes und klickt am schuleigenen Acer-Netbook ganz modern eine Powerpoint-Folie nach der anderen weiter, die durch einen Beamer an die Wand geworfen wird. Ich wunder mich ganz schön. Ich dachte ich bin in einem der ärmsten Länder Asiens. Und genau hier gibt es diese technische Ausstattung? Ich denke mir, dass vielleicht die monatliche Studiengebühr des MEC von 130.000 laotischen KIP, rund 11,60 EUR zu dieser Ausstattung beiträgt. Obwohl das selbst für Englischschulen in Luang Prabang ein Schnäppchen ist, leider aber doch unbezahlbar für einige.

Noch völlig in diese Gedanken versunken, fordert mich Touy plötzlich auf, mich der Klasse vorzustellen. Ich postiere mich also mitten zwischen die Schüler und fange an zu erzählen… Mein Name ist Doreen, ich bin 29 Jahre alt und komme aus Deutschland. Die meisten haben "Germany" schon einmal gehört. Auf Nachfragen wo Deutschland denn liegt sehe ich nur ratlose Gesichter. Auch den Begriff "Europa" hat wohl noch nie jemand gehört. Also versuche ich sie stattdessen zu Fragen zu animieren. Nach ein paar Sekunden trauen sie sich: "Aus wie vielen Personen besteht Deine Familie?", "Bist Du verheiratet?", "Wie lange bist Du schon in Laos?", "Wie gefällt´s Dir hier?".

Ya (links) mit seiner Klasse.
Nach zwei Stunden steht der Wechsel an. Ich hüpfe von Klassenraum B zu Klassenraum C. Die nächsten zwei Stunden verbringe ich mit Ya. Ebenfalls ein junger Laote, aber mit noch besserem Englisch. Als ich ihn darauf anspreche, erzählt er mir, dass er die englischen Basiskenntnisse von Claus gelernt hat, aber zusätzlich in seiner Freizeit zu einer anderen Einrichtung namens "Big Brother Mouse" in Luang Prabang gegangen ist. Dort wird den lernwilligen Laoten angeboten sich jeden Morgen mit englischsprachigen Touristen zu unterhalten. Er hätte den Muttersprachlern ganz genau zugehört und sie einfach imitiert, um seinen asiatischen Akzent in die Prärie zu schicken. Mit Erfolg. Immerhin war Ya noch nie im englischsprachigen Ausland. Ich ziehe innerlich meinen Hut vor so viel Ehrgeiz während auch er mich bittet den Schülern etwas über mich zu erzählen. Ein Mönch hört mir besonders interessiert zu. Nach etlichen privaten Fragen, die er mir später stellt, grinst er ganz verschmitzt und sagt: "You are a sweet girl!". Ich denke ich bin im falschen Film. Erst die mordsmäßige Technik in der Schule und jetzt flirtet ein buddhistischer Mönch mit mir? Ich bin völlig fertig und muss mich erstmal setzen. Vorstellungsrunde beendet. Aber das mit den Komplimenten geht weiter. Laoten scheuen sich davor scheinbar viel weniger als wir. In einer Touy-Stunde sagt mir ein süßes 15-jähriges Mädchen wie schön ich mit meinen blonden Haaren sei. Meine Lieblingsschülerin Mone sagt mir immer wieder wie süß sie mich findet, weil ich die ganze Zeit lächle. Und auch Sansany begrüßt mich immer wieder mit "Hey sweet and beautiful girl".  Wenn den Menschen sowas leicht von der Zunge geht, ist das ein sehr hübsches Gefühl. 

Da musste ich oft schmunzeln: Die Schüler sind
noch nicht ganz an die lateinische Schrift ohne
Schnörkel gewohnt. Sie bauen immer wieder Kringel ein, so wie sie
aus ihrer laotischen Schrift kennen. Siehe "m".
Ein weit weniger hübsches Gefühl vermittelt mir Ya zwei Tage später. Ich soll ein Spiel in seiner Klasse moderieren. Mein erstes Mal. Ich beginne den Schülern auf Englisch zu erklären, dass ich mit ihnen gerne Tic Tac Toe spielen möchte. Unterstütze meine Erklärungen auch indem ich das Spiel, dass wir als "Drei gewinnt" kennen, an die Tafel male. Die Schüler verstehen nur Bahnhof. Sind auf englische Erklärungen gar nicht eingestellt. Der Unterricht der Anfängerklassen im MEC wird laotisch gehalten. Ya reißt deshalb sofort das Ruder an sich. Übersetzt meine Angaben ins Laotische, und weist mich an, ich möge mein Tafelbild so zeichnen, dass es seinen Vorstellungen entspricht. Ich habe das Gitter in die Mitte der Tafel platziert, nicht wie es sein Wunsch ist auf die linke Seite. Muss ich das verstehen? Ich tue mich schwer. Ya übernimmt nun komplett die Moderation. Ich stehe da wie bestellt und nicht abgeholt, fühle mich leicht gedemütigt und reiche den Schülern nur noch die Stifte für die Tafel. Claus erzählt mir später, dass Ya Perfektionist sei. Ein Trost, aber ein schwacher. 

Aber ich werde immer wieder von den Schülern unbewusst, und von Richy bewusst motiviert. Er hört sich jeden Abend, wenn wir zusammen in der Suppenküche das Abendessen einwerfen, meine Sorgen und Erlebnisse an. Er hilft mir wo er nur kann. Ich war während unserer Reise noch nie so dankbar dafür, dass ich ihn an meiner Seite habe.

Was ich noch erlebt habe? Siehe nächster Blog :o)

Eure Doreen 

4 Kommentare:

  1. hey sweet and beautiful girl...die Komplimente sind berechtigt und hast sie dir verdient bei so viel Mut, in einem fremden Land mit einer fremden Kultur eine fremde Sprache zu lehren...wir sind begeistert ...
    gute Weiterreise !!

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  2. Ich kann Kurt nur tutto kompletto zustimmen, Doreen! :-)

    Ich zieh ebenso meinen Hut vor Dir und Deinem Mut, Engagement (Du tolle Lehrerin) und Freude!

    Deinen letzten Absatz find ich ganz besonders toll...
    <3

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  3. Dem, was bereits erwähnt wurde, schließ ich mich einfach an. So viel Mut haben nur ganz wenig Menschen.

    Liebe Grüße Jutta

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  4. Hallo an Euch drei,

    aufgrund der teuren Internetkosten in Neuseeland erst jetzt meine Antwort. Sorry :o)

    Danke an Euch 3 für die Komplimente. Ihr habts geschafft, dass ich hier in unserem Hostel ziemlich gerührt auf der Couch sitze *schnief*

    Unendliche viele herzenswarme Grüße in meine Heimat an Euch drei!

    Eure Doreen

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